C
OUR DES
C
OMPTES
Steuern, Abgaben und
Sozialabgaben in Frankreich und
Deutschland
März 2011
Hinweis
Synth
e
se
des öffentlichen Themenberichts
D
iese Zusammenfassung dient der leichteren
Lesbarkeit und Erläuterung des Berichts der Cour
des comptes. Nur die französische Fassung des
Berichts selbst ist für die Cour des comptes verbindlich.
Die Antworten der betroffenen Verwaltungen und
Stellen werden im öffentlichen Bericht wiedergegeben.
Einführung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5
1
Hauptmerkmale der beiden Länder und ihrer
Steuersysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2
Steuer- und Abgabenblöcke . . . . . . . . . . . . . . .
13
3
Hauptlehren aus dem Vergleich
der Steuersysteme
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Allgemeine Schlussbemerkungen
. . . . . . . . . . .
29
Wichtigste Befunde
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
Empfohlene Orientierungen
. . . . . . . . . . . . . . .
35
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
3
Inhaltsverzeichnis
Die Cour hat im September 2010 ihre Arbeiten zum Vergleich der deutschen und
französischen Steuersysteme auf Wunsch des Staatspräsidenten eingeleitet.
Die Cour des comptes ist der Meinung, dass ein solcher Vergleich notwendigerweise
die Rahmenbedingungen sowie die Wirtschafts- und Haushaltslage beider Länder berück-
sichtigen soll. Sie hat eine vertiefte technische Analyse der deutschen und französischen
Steuersysteme angestellt und dabei ständig im Auge behalten, dass die
Wettbewerbsfähigkeit und die Attraktivität eines Landes nicht ausschließlich vom Steuer-
und Abgabensystem abhängig sind.
Sie hat dafür gesorgt, dass die Konsultation auf so breiter Basis wie möglich durch-
geführt wurde: sie hat eine Expertengruppe gebildet, Vertreter von Gewerkschaften und
Fachverbänden und Anwender angehört. Ein technischer fruchtbarer Meinungsaustausch
hat mit dem Bundesministerium der Finanzen stattgefunden, der in diesem Rahmen
Gesprächspartner der Cour des comptes ist.
Dieser Bericht unterliegt der ausschließlichen Verantwortung der Cour des
comptes.
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
5
Einführung
1
Hauptmerkmale der bei-
den Länder und ihrer
Steuer- und
Abgabensysteme
Hintergrund
Eine divergierende wirt-
schaftliche Entwicklung
Frankreich und Deutschland, deren
BIP zusammen genommen mehr die
Hälfte des BIP der Eurozone ausmacht,
sind in wirtschaftlicher Hinsicht relativ
homogen. Das Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf und der Wachstumsrythmus
sind vergleichbar und beide Länder
besitzen ein hoch entwickeltes soziales
Sicherungssystem.
Trotz dieser Gemeinsamkeiten sind
jedoch
tiefgreifende
strukturelle
Unterschiede und eine in der jüngsten
Zeit divergierende Entwicklung zu beo-
bachten.
Im Gegensatz zu Frankreich stützt
sich Deutschland auf einen starken
Mittelstand.
Das
Wachstum
in
Deutschland wird von der Industrie
(25,6% vom BIP im Vergleich zu 13,6%
in Frankreich) und immer mehr von den
Exporten zu Lasten des Konsums getra-
gen.
Während die jährliche Wachstum-
srate
im
Zeitraum
2000-2010
in
Frankreich etwas höher lag (1,5% im
Vergleich zu 1,1% in Deutschland), ist
sie seit 2006 in Deutschland dynami-
scher. Deutschland hat die Krise schnel-
ler
überwunden.
Das
deutsche
Wachstum wird im Zeitraum 2010-2012
viel
stärker
als
das
französische
Wachstum sein.
Das seit 2005 stärkere Wachstum in
Deutschland, die Arbeitsmarktreform,
der massive Rückgriff auf Kurzarbeit
während der Krise 2008-2009 ermö-
glichten
eine
Absenkung
der
Arbeitslosenrate auf 6,6 % Ende 2010
im Vergleich zu 9,7 % in Frankreich.
Die Verteilung der Wertschöpfung
hat sich in Frankreich und Deutschland
im Laufe der 2000er Jahre unterschied-
lich entwickelt. Der Anteil der Löhne
und Gehälter an der Wertschöpfung
entwickelte sich in Frankreich flach. In
Deutschland ist er von einem höheren
Niveau ausgegangen und um 5 Prozent
gefallen. Dieser Rückgang gleicht auf
den ersten Blick einer Normalisierung
der Lage in Deutschland nach der
Wiedervereinigung sowie einer Politik
der Lohnmäßigung.
Cour des comptes
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
7
Wettbewerbsfähigkeit:
strukturelle Unterschiede,
eine in der letzten Zeit
günstigere Entwicklung in
Deutschland
Die Wettbewerbsfähigkeit Fran-
kreichs und Deutschlands hat sich ausei-
nander entwickelt.
Deutschland verfügt seit langer Zeit
über nichtpreisliche Wettbewerbsvor-
teile: deutsche Produkte gelten als hoch-
wertiger; deutsche Exportunternehmen
lassen sich in Exportländern mit
Tochtergesellschaften nieder; der deut-
sche Exportsektor ist grösser; die deut-
schen Exportunternehmen haben eine
breiter gestreute geografische Präsenz.
Im Laufe der Jahre 2000 konnte
Deutschland
seine
preisliche
Wettbewerbsfähigkeit
verbessern.
Insgesamt ist festzuhalten, dass im
Zeitraum 2000-2008 der Anstieg der
Lohnstückkosten (Stundenlohnkosten
und Produktivitätsgewinne) in der fran-
zösischen Industrie um 10 Punkte über
der deutschen Industrie liegt. Der
Vorteil,
den
die
französischen
Wirtschaft zu Beginn der 2000er Jahre
hatte, ist verschwunden.
Der
Handelsbilanzüberschuss
Deutschlands ist in den 2000er Jahren
ständig gestiegen und erreichte 2009
134 Mrd. € Die sich fortlaufend ver-
schlechternde
Handelsbilanz
Fran-
kreichs wies 2009 ein Defizit von
53 Mrd. € aus. Diese Entwicklung resul-
tierte innerhalb und außerhalb der
Europäischen Union in Marktanteilver-
lusten von 3 Punkten zwischen 2000
und 2009.
Umverteilung: das franzö-
sische System ist umfas-
sender
Die
Risikodeckung
durch
die
Sozialversicherung ist in Frankreich
umfassender als in Deutschland: stär-
kere Berücksichtigung der Familienla-
sten, großzügigere Arbeitslosengelder,
gesetzliche Krankenversicherung für die
G e s a m t b e v ö l k e r u n g ,
Pflichtversicherung
bei
einer
Zusatzrentenkasse. Diese Leistungen
haben erhebliche Auswirkungen auf die
Umverteilung: in Frankreich tragen sie
zu 63 % am Abbau von Ungleichheiten
bei im Vergleich zu 37 % für die Steuern
und Abgaben.
Während
im
Jahr
2000
das
Einkommensgefälle geringer war als in
Frankreich, hat sich der Trend ab 2006
umgekehrt;
2009
war
das
Einkommensgefälle in den beiden
Ländern nahezu identisch. Der Gini-
Koeffizient
(statistisches
Maß
zur
Darstellung des Ungleichgewichts) ist in
diesem Zeitraum in Frankreich stabil
geblieben, während er in Deutschland
um
20%
zunahm.
Die
relative
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Hauptmerkmale der beiden Länder
und ihrer Steuersysteme
8
Armutsrate in Deutschland ist im
Zeitraum 2000-2009 gestiegen; im glei-
chen Zeitraum ging sie um 20% in
Frankreich zurück.
Deutlichere Priorität für
die öffentlichen Finanzen
in Deutschland
Deutschland legt mehr Wert auf
ausgeglichene
Haushalte.
Während
Frankreich
seit
1974
keinen
Haushaltsüberschuss mehr vorweist war
der deutsche Haushalt seit 2000 drei Mal
überschüssig.
Die Phase des relativ starken
Wachstums vor der Rezession wurde in
Deutschland
genutzt,
um
das
Haushaltsdefizit zurückzufahren. Im
Jahr 2008
(1)
- vor der Krise - belief sich
das französische Haushaltsdefizit auf
3,3 BIP-Punkte, während der deutsche
Überschuss 0,1% vom BIP ausmachte.
Das strukturelle Defizit in Frankreich
liegt 3 Punkte über dem strukturellen
Defizit in Deutschland.
Die Differenz zwischen der deut-
schen
und
der
französischen
Haushaltslage lässt sich zum großen Teil
durch die Zunahme der öffentlichen
Ausgaben in Frankreich erklären. In
Deutschland verlangsamte sich zwi-
schen 2000 und 2008 der Anstieg der
Staatsausgaben (von 45,1 auf 43,8 BIP-
Punkte), in Frankreich war das nicht der
Fall. Im Jahr 2000 lag der Anteil der
Staatsausgabenquote
am
BIP
in
Frankreich
unter
dem
Anteil
in
Deutschland und in der Europäischen
Union.
2010
betrugen
die
Staatsschulden in Deutschland 80%
vom BIP und 86,8 % vom BIP in
Frankreich.
Höhe und Aufbau
der Gesamtsteuer-
und Abgabenbelas-
tung
Die Steuerlast ist in bei-
den Ländern hoch, geht
aber in Deutschland deut-
licher zurück
Viele französische Abgaben haben
kein deutsches Äquivalent– umgekehrt
ist das viel seltener der Fall. Das gilt z.B.
für die Unternehmenssteuern, die die
Produktion belasten, in Höhe von 58
Mrd. € 2008 (3 BIP-Punkte). Dies bein-
haltet
die
Abgaben
auf
die
Bruttolohnsumme (26,5 Mrd. €), die
Abgaben auf die Anlagegüter der
Unternehmen und Abgaben auf den
Umsatz. Bezüglich der Besteuerung der
Haushalte gleichen die CSG und die
CRDS
die
eng
gefasste
_
__________
(1)Angesichts der Auswirkung der Krise auf die Einnahmen 2009 und der Nichtverfügbarkeit
von stabilisierten Daten für 2010 wird hier oft auf das Jahr 2008 Bezug genommen
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Hauptmerkmale der beiden Länder
und ihrer Steuersysteme
9
Bemessungsgrundlage der Einkom-
mensteuer zum Teil aus; die Wohnsteuer
(13,3 Mrd. €) und die Vermögenssteuer
„ISF“ (4 Mrd. €) haben aber kein deut-
sches Äquivalent.
Die
Gesamtsteuer-
und
Abgabenbelastung
in
den
beiden
Ländern
liegt
deutlich
über
dem
Durchschnitt
der
EU-27.
Der
Unterschied in der Gesamtsteuer- und
Abgabenbelastung in Deutschland und
Frankreich ist bedeutend (3,5 PIB-
Punkte). Der Abstand zwischen beiden
Ländern ist zu zwei Dritteln auf den
unterschiedlichen
Aufbau
der
Sozialversicherung zurückzuführen.
Verteilung der
Gesamtsteuer- und
Abgabenbelastung nach
Empfängern
Die Steuern und Abgaben in
Deutschland
sind
zu
40%
an
Sozialversicherungsträger und zu 30%
an
den
Staat
und
die
lokalen
Verwaltungen verteilt. Diese Verteilung
hat sich in der jüngsten Zeit nicht geän-
dert. In Frankreich ist der Anteil der
Steuern und Abgaben, der dem Staat
zusteht, zugunsten der Sozialversiche-
rungsträger und Gebietskörperschaften
dagegen um 3,2 BIP-Punkte zurückge-
gangen. 2008 sind die Steuern und
Abgaben zu 36 % an den Staat, 52 % an
Sozialversicherungsträger und 12 % an
die lokalen Verwaltungen verteilt wor-
den.
Deutschland ist ein Bundesstaat,
lokal jedoch ist nur eine begrenzte
Steuerautonomie
gegeben.
In
Frankreich dienen mehrere Steuern aus-
schließlich
der
Finanzierung
der
Gebietskörperschaften,
während
in
Deutschland 75% der Steuereinnahmen
der Länder aus mit dem Bund geteilten
Steuern kommen; das Steuerauf-kom-
men
wird
auf
der
Basis
eines
Verteilungsschlüssels verteilt.
Wirtschaftliche Analyse
der Besteuerung
Obwohl die Eurostat-Daten den
Unterschied in der Kapitalbesteuerung
überschätzen (um 3 BIP-Punkte), bleibt
dieser erheblich. Zwischen 2000 und
2008 hat in Frankreich die Besteuerung
des Verbrauchs um 0,9 BIP-Punkte am
meisten abgenommen; in Deutschland
ist
es
die
Besteuerung
der
Arbeitseinkünfte, die um 2,7 BIP-
Punkte reduziert wurde.
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Hauptmerkmale der beiden Länder
und ihrer Steuersysteme
10
Quelle: Eurostat-Daten
Abbildung : Anteil der Gesamtsteuer- und Abgabenbelastung nach Aggregaten
(in % vom BIP)
Die Besteuerung des
Verbrauchs
In
Frankreich
wurde
die
Besteuerung des Verbrauchs gesenkt,
während sie in Deutschland und den
Ländern der EU-27 einem gegenteiligen
Trend folgte. Im Jahr 2008 wurde der
Verbrauch der Haushalte in Frankreich
zu
19,1%
besteuert
(19,8%
in
Deutschland und 21,5% im Schnitt der
EU-27).
Dies ist in Frankreich auf die
Senkung des normalen Mehrwertsteuer-
satzes, den breiteren Anwendungs-
bereich eines ermäßigten Mehrwerts-
teuersatzes, die Abschaffung der Kfz-
Steuer („vignette automobile“) und die
Anpassung der Mineralölsteuer zurück-
zuführen. In Deutschland ist es auf die
Erhöhung des normalen Mehrwerts-
teuersatzes am 1. 1. 2007 von 16% auf
19% zurückzuführen deren Ziel es war,
die Defizite zu verringern und die
Hälfte
der
Nettoabnahme
der
Sozialbeiträge um 1,6 Punkte zu finan-
zieren.
Die Besteuerung der
Arbeitseinkünfte
Auch wenn der Steuersatz der
Arbeitseinkünfte in beiden Ländern ver-
gleichbar (41,4 % in Frankreich, 39,2 %
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Hauptmerkmale der beiden Länder
und ihrer Steuersysteme
11
in Deutschland) ist, liegt er über dem
Niveau der Europäischen Union.
Dieser Steuersatz in Frankreich ist
seit 1995 stabil. Die Senkung der
Sozialabgaben auf Niedriglöhne wurde
durch die Erhöhung der anderen
Abgaben in diesem Zeitraum kompen-
siert. Hingegen hat Deutschland seit
2004
die
Besteuerung
der
Arbeitseinkünfte
gesenkt,
um
die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Unternehmen zu verbessern (Senkung
der Sozialabgaben auf Niedriglöhne im
Rahmen der Hartz-Gesetze, Senkung
der Abgaben um 1,6 % im Jahr 2007,
Senkung des Einkommensteuertarifs
seit 2000).
Die Kapitalbesteuerung
Der Steuersatz des Kapitals in
Deutschland hat seit 2000 stark abge-
nommen, und liegt heute deutlich unter
dem Durchschnitt der EU-25, während
er in Frankreich deutlich darüber liegt.
Die
Kapitalbesteuerung
lag
in
Frankreich bei 38,8 % im Jahr 2008
gegen 23,1 % in Deutschland und
26,5 % in der EU-25.
Während
die
Besteuerung
der
Kapitaleinkünfte in den beiden Ländern
vergleichbar ist, unterscheidet sich
Frankreich durch eine viel höhere
Besteuerung des Kapitalbestands (4,5 %
vom BIP im Vergleich zu 1 % in
Deutschland). Der Unterschied in der
Besteuerung des Kapitalbestands zwi-
schen Deutschland und Frankreich lässt
sich zum größten Teil einerseits durch
Abgaben ohne deutsches Äquivalent
(„taxe professionnelle“, „ISF“, entgelt-
liche Eigentumsübertragungen, C3S,
Wohnsteuer) und andererseits durch
Abgaben,
die
deutlich
höher
in
Frankreich (Grundsteuer, unentgeltliche
Eigentumsübertragungen) sind, erläu-
tern.
Die Differenz bei der Besteuerung
der Kapitalerträge, die seit 2000 unve-
rändert geblieben ist, ist unerheblich. Sie
lag 2008 in Deutschland bei 5,8 % des
BIP (5,3 % in Frankreich). Im Jahr 2008
liegt der Steuersatz für Kapitalerträge in
Frankreich und Deutschland über dem
Durchschnitt der EU-25 (jeweils 21%
und 19,7 % gegen 19,3 %).
Umweltsteuern
Die
„Umweltsteuern“
(laut
Eurostat-Definition) sind in Frankreich
(2,1 %) und in Deutschland (2,2 %)
geringer im Vergleich zu anderen
Ländern
der
Europäischen
Union
(2,6 %).
Im Zeitraum 2000-2008 ist die
Entwicklung der Einnahmen aus den
Ökosteuern in beiden Ländern ver-
gleichbar.
Die
Besteuerung
von
Energieerzeugnissen ist in Deutschland
deutlich höher als in Frankreich. Die
Gesamtsteuer- und Abgabenbelastung
im Verkehrsbereich ist etwas höher in
Frankreich, was in erster Linie auf die
Nahverkehrsabgabe („versement trans-
port“, 6 Mrd. €), deren Klassifizierung
als Umweltsteuer fragwürdig ist, zurück-
zuführen ist.
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Hauptmerkmale der beiden Länder
und ihrer Steuersysteme
12
2
Steuer- und bgabenblöcke
Besteuerung der
Einkünfte der
Haushalte
Unterschiedliche
Besteuerungsstrukturen
Der Aufbau der Besteuerung
Der Anteil der Einkommensteuer
am BIP ist in Deutschland mehr als drei
Mal so hoch wie in Frankreich (9,6%
gegenüber 2,6% vom BIP für 2008).
Die Besteuerung der Einkommen in
Frankreich ist seit Anfang der 1990er
Jahre mit einer Zunahme der proportio-
nalen Sozialsteuern CSG und später
CRDS
zur
Finanzierung
der
Sozialversicherung einhergegangen, die
im Wesentlichen Sozialabgaben ersetzen
und zusammengenommen Einnahmen
in Höhe von ca. 4,6% des BIP (2008)
repräsentieren.
Die Sozialversicherungsbeiträge in
Frankreich sind viel höher als in
Deutschland (15% bzw. 12,6% BIP-
Punkte). Die Arbeitnehmer und die
Arbeitgeber tragen nicht im selben
Umfang zur Finanzierung der sozialen
Sicherung bei: in Deutschland sind die
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge
fast identisch. In Frankreich hingegen
wird ein viel größerer Anteil der sozialen
Sicherung durch Arbeitgeberbeiträge
finanziert, die doppelt so hoch wie in
Deutschland sind (11 % und 4 % BIP-
Punkte).
Einkommensteuer
In Deutschland ist der höchste
Grenzsteuersatz der Einkommensteuer
höher als in Frankreich: 45%
(2)
im
Vergleich zu 41%. Dies resultiert aus
einer stärkeren Absenkung des höchsten
Grenzsteuersatzes in Deutschland im
Laufe der letzten zwanzig Jahre.
In Deutschland und Frankreich
ermöglicht das Ehegattensplitting, die
Ehegatten gemeinsam veranlagt zu
veranlagen. Im Gegensatz zu Frankreich
können Ehegatten in Deutschland
getrennt veranlagt werden.
Das
es
in
Deutschland
kein
Familiensplitting gibt werden Kinder
anders berücksichtigt. Die deutschen
Familien
können
sich
zwischen
Kindergeld
und
Kinderfreibetrag
entscheiden.
In
Bezug
auf
das
Arbeitseinkommen
werden
die
Aufwendungen in beiden Ländern
entweder pauschal oder in Höhe des
_______________
(2)Zu diesem Satz von 45% kommt noch der Solidaritätszuschlag von 5,5% auf Basis der zu entrichtenden
Einkommens
Cour des comptes
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
13
realen Betrags berücksichtigt. Der
Pauschalabzug ist in Frankreich viel
großzügiger (10% des Einkommens mit
einer Obergrenze von 13 948 € 2010 für
das Einkommen 2009 im Vergleich zu
920 € in Deutschland).
Die Steuer auf Löhne und Gehälter
in Deutschland wird an der Quelle erho-
ben; trotz Quellensteuer erfolgt für die
meisten
Steuerzahler
eine
Einkommensteuerveranlagung
Während die Einkommens-teue-
rentlastung (Steuervergünstigungen und
Finanzhilfen) in beiden Ländern hoch
ist, ist sie in Frankreich breiter angelegt
und kostspieliger.
Sozialversicherungsbeiträg
e und Sozialabgaben
Im Gegensatz zu Deutschland hat in
Frankreich die CSG zur Diversifizierung
der Finanzierungsquellen für die soziale
Sicherung beigetragen; diese Abgabe auf
das
Erwerbseinkommen
und
auf
Kapital- und Anlageerträge hat eine sehr
breite
Bemessungsgrundlage.
Die
Degression
der
Sozialabgaben
im
Verhältnis zum Einkommen ist deutlich
stärker in Deutschland.
In Frankreich sind die Befreiungen
der Beiträge auf Niedriglöhne viel
höher (über 30 Mrd. €); sie bestehen im
Wesentlichen aus Befreiungen der
Arbeitgeberbeiträge auf Niedriglöhne
(bis zu 1,6 SMIC). In Deutschland sind
die Befreiungen restriktiver und betref-
fen nur die Arbeitnehmerbeiträge.
Vergleichbare
Auswirkungen bezüglich
Arbeitskosten und
Umverteilung
2008 betrug die Gesamtsteuerlast
auf die Einkommen der privaten
Haushalte
23,3%
vom
BIP
für
Frankreich und 24,9% für Deutschland.
Die Besteuerung des Faktors Arbeit in
den beiden Ländern (Sozialversiche-
rungsbeiträge nach Befreiungen und
Ermäßigungen,
Einkommensteuer
sowie CSG und CRDS in Frankreich) ist
ähnlich. Das Verhältnis Einkommens-
teuer
zuzüglich
Sozialabgaben
zu
Lohnkosten
für
den
Arbeitgeber
(„Steuer-
und
Abgabenkeil“)
liegt
jeweils bei 49,2% in Frankreich und
50,9% in Deutschland, also bedeutend
höher als der Durchschnitt der OECD-
Länder (36,4%).
In Deutschland ist der höchste
Grenzsteuersatz für hohe versteuerbare
Einkommen,
die
Anzahl
der
Steuervergünstigungen geringer und
deren Anwendungsbereich begrenzter.
In Bezug auf die Besteuerung der
Haushalte sind die Familien in beiden
Ländern großzügig behandelt. Das
deutsche System ist etwas günstiger für
Familien mit 1-2 Kindern bezüglich
Barleistungen, während das französi-
sche System in puncto Sachleistungen
viel großzügiger ist (Kinderbetreuung).
Es
ist
günstiger
für
kinderreiche
Familien (ab 3 Kinder) und für Familien,
die hohe Einkünfte beziehen.
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Steuer- und Abgabenblöcke
14
Vermögenssteuern
Die Besteuerung des
Vermögens ist in
Frankreich viel höher als
in Deutschland
Deutschland hat sich für eine sehr
niedrige Besteuerung des Vermögens
entschieden: bescheidene Grundsteuer
(11
Mrd.
€),
Aussetzung
der
Vermögenssteuer am Ende der 1990er
Jahre
und
Abschaffung
der
Kapitalgewerbesteuer
1998.
Die
Besteuerung des Vermögens (0,46 %
BIP-Punkte) liegt deutlich unter dem
Durchschnitt
der
OECD-Länder
(1,13 % BIP-Punkte).
Bei Frankreich ist es umgekehrt: die
Vermögensbesitzsteuern (2,6 % BIP-
Punkte) liegen über dem Durchschnitt
der OECD-Länder. Dies erklärt sich
durch
die
starke
Zunahme
der
Grundbesitzsteuern seit zehn Jahren
(2010: 33 Mrd. €). Die französische
„ISF“ (2010: 3,6 Mrd. €) ist ein Unikum
in der Europäischen Union (Norwegen
und die Schweiz haben dennoch die
Vermögensbesitzsteuer
beibehalten),
nach
der
Aussetzung
1997
der
Vermögensteuer
in
Deutschland
(4 Mrd. €). In Deutschland gibt es keine
gesetzliche Besteuerungsobergrenze wie
das Steuerschild; das Bundesverfas-
sungsgericht sorgt dennoch für die
Anwendung des Prinzips des Verbots
der Überbelastung und der konfiskatori-
schen Besteuerung.
Die Besteuerung der
Veräußerungen und Über-
tragungen: trotz ver-
gleichbarer
Entscheidungen in der
letzten Zeit bleibt die
Steuerlast in Frankreich
höher
In Deutschland werden nur die
Einkünfte aus Immobiliengeschäften
besteuert;
der
proportionale
Besteuerungssatz liegt unter dem fran-
zösischen Satz. In Frankreich wird die
Veräußerung von Immobilien, von
Aktien und Geschäften besteuert. Die
Einnahmen sind doppelt so hoch in
Frankreich (9 Mrd. € 2010) als in
Deutschland (4,8 Mrd. €).
Vor kurzem haben Deutschland und
Frankreich vergleichbare Entscheidun-
gen
bezüglich
Besteuerung
von
Gewinnen aus der Veräußerung und
von unentgeltlichen Übertragungen
getroffen.
Die
Besteuerung
der
Gewinne aus der Veräußerung von
Wertpapieren ist in Deutschland anläss-
lich
der
Errichtung
der
Abgeltungssteuer ab Januar 2009 und in
Frankreich
im
Rahmen
der
Rentenreform angehoben geworden.
Die jüngsten Reformen der Besteuerung
der unentgeltlichen Eigentumsü-bertra-
gung in Frankreich (2007) und in
Deutschland
(2009)
haben
die
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Steuer- und Abgabenblöcke
15
Erbschafts- und Schenkungssteuern für
die Erben in direkter Linie deutlich
gesenkt; die bescheidenen Erbschaften
und Schenkungen in Deutschland sind
sogar von der Besteuerung ausgenom-
men.
Vermögensertragsteuern:
abweichende Verfahren,
äquivalente
Steuerbelastung
Die
Einnahmen
aus
den
Vermögensertragsteuern sind in beiden
Ländern vergleichbar (25 Mrd. € ohne
die Einnahmen aus der Besteuerung der
Einkünfte aus Grundbesitz).
Seit 2009 hat sich Deutschland für
die
Abgeltungssteuer
mit
breiter
Bemessungsgrundlage und bescheide-
nen Freistellungsmöglichkeiten für alle
Vermögenserträge
entschieden.
In
Frankreich besteht die Besteuerung aus
zwei Komponenten: Einkommensteuer
und Sozialabgaben, deren Bedeutung in
den letzten zehn Jahren um ein
Vierfaches zugenommen hat; zudem
sind zahlreiche Vergünstigungen und
Sonderregeln vorgesehen.
Die
Vermögensertragsteuern
in
Deutschland - die fast alle unter dem
Durchschnitt der OECD-Länder liegen
- beruhen im Wesentlichen auf der
Besteuerung der Kapitalerträge und
Veräußerungsgewinne. Frankreich hat
hingegen beschlossen, die gesamte
Vermögenskette zu besteuern, vom
Besitz über Kapitalerträge bis zur Über-
tragung und Veräußerung; die französi-
sche
Besteuerung
des
Vermögens
(3,4 % vom BIP) liegt heute weit über
dem Durchschnitt der OECD-Länder.
Unternehmenss-
teuern
Unterschiedliche
Reformprioritäten und
Besteuerungsstrukturen
Die lokale Besteuerung der Unternehmen
beruht auf unterschiedlichen Steuern
In Deutschland und in Frankreich
werden Unternehmenssteuern auf zwei
Ebenen erhoben. Zu der Körperschafts-
teuer kommen noch lokale Steuern
hinzu: die „contribution économique
territoriale“, die seit 2010 die „taxe pro-
fessionnelle“ ersetzt; die Gewerbesteuer
in
Deutschland.
Während
die
Körperschaftsteuer in beiden Ländern
auf vergleichbaren Grundsätzen beruht
ist die „contribution économique terri-
toriale“ mit der Gewerbesteuer nicht
deckungsgleich. Die Bemessungsgrun-
dlage der „contribution économique ter-
ritoriale“
schließt
den
Wert
der
Anlagegüter des Unternehmens sowie
einen Beitrag auf die Wertschöpfung
ein. Die Bemessungsgrundlagen der
Gewerbesteuer
und
der
Körperschaftsteuer sind sehr vergleich-
bar. Diese Unterschiede spiegeln sich in
der unterschiedlichen wirtschaftlichen
Bedeutung
dieser
Steuern
wider.
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Steuer- und Abgabenblöcke
16
Während die Einnahmen aus der „taxe
professionnelle“ seit zehn Jahren stän-
dig zurückgegangen sind, haben die
Einnahmen aus der Gewerbesteuer
stark zugenommen. 2008 beliefen sich
die Einnahmen aus der „taxe profes-
sionnelle“ auf 1,01% BIP-Punkte in
Frankreich im Vergleich zu 1,65 % BIP-
Punkte für die Gewerbesteuer.
Erhebliche Divergenz bei den
Unternehmenssteuern
Ab Ende der 1990er Jahre haben die
sukzessiven
Regierungen
die
Unternehmenssteuern reformiert mit
dem
erklärten
Ziel,
die
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen
zu verbessern. Die beiden Reformen
2000 und 2008 bewirkten eine starke
Absenkung der Körperschaftsteuer von
30/40 % (je nachdem, ob die Gewinne
verteilt werden oder nicht) 1999 auf
15 % 2008 sowie eine Erweiterung und
Vereinfachung der Bemessungsgrund-
lage.
In diesem Zeitraum unterlag die
Körperschaftsteuer keiner grundlegen-
den Reform in Frankreich. Daraus folgt
ein
großer
Unterschied
in
den
Einnahmen aus der Körperschaftsteuer:
0,64 % BIP-Punkte in Deutschland und
2,53 % BIP-Punkte in Frankreich. Das
außerordentlich geringe Volumen der
Körperschaftsteuer in Deutschland wird
oft
durch
die
Absenkung
des
Steuersatzes und die hohe Anzahl an
Personengesellschaften erklärt: 83 % der
deutschen
Unternehmen
sind
Personengesellschaften, deren Gewinne
der
Einkommensteuer
unterliegen
(57 % in Frankreich).
Die Anzahl der Unternehmenssteuern- und
Abgaben ist wesentlich höher in Frankreich
Neben der Körperschaftsteuer und
der „CET“ sieht das französische
Steuersystem
noch
andere
Unternehmenssteuern vor: die bedeu-
tendsten
dieser
Steuern
sind
die
Lohnsummensteuer, die zum größten
Teil von den nicht mehrwertsteuerp-
flichtigen
Banken
und
Versicherungsgesellschaften entrichtet
wird und die Nahverkehrsabgabe („ver-
sement transport“). Diese Abgaben auf
die Bruttolohnsumme, für die es in
Deutschland kein Äquivalent gibt, belie-
fen sich 2008 auf 26,5 Mrd. € (1,2 BIP-
Punkte).
Effektiv vorhandene
Unterschiede sollten nicht
überschätzt werden
Die Neutralität spielt bei der
Unternehmensbesteuerung eine größere Rolle
als in Frankreich
Neutralität ist in Deutschland –
mehr als in Frankreich – ein Ziel der
öffentlichen Politik. Während Fran-
kreich die Besteuerung zur Stützung der
Wirtschaft (steuerpolitische Lenkung
der Investitionen und des Verhaltens der
Unternehmen) eingesetzt wird, hat sich
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Steuer- und Abgabenblöcke
17
Deutschland dafür entschieden, bei der
Allokation der Produktionsfaktoren die
Marktkräfte walten zu lassen.
Deutschland hat sich zum Ziel
gesetzt, die Neutralität der Besteuerung
für alle Rechtsformen zu gewährleisten
und die steuerliche Behandlung von
Personengesellschaften
und
Kapitalgesellschaften zu harmonisieren.
Deutschland hat auch eine bedeutende
Vereinfachung der Abschreibungsregeln
vorgenommen. In diesem Zeitraum
wurden in Frankreich Steueranreize
ohne
Äquivalent
in
Deutschland
geschaffen;
der
bedeutendste
Steueranreiz
ist
die
Forschungs-
Steuergutschrift
(„crédit
d’impôt
recherche“) (5,8 Mrd. € 2009).
Das
Ziel
der
Neutralität
in
Deutschland
wird
auch
von
der
Absenkung
der
Sätze
und
der
Erweiterung der Bemessungsgrundlage
gefördert.
Die
Einführung
der
Zinsschranke und die Begrenzung des
Verlustvortrags und -rücktrags 2008 tra-
gen zur Erweiterung der Bemessungs-
grundlage bei.
Der globale Unternehmenssteuersatz ist in
beiden Ländern vergleichbar
Die Auswirkungen der Systeme sind
sehr vergleichbar bezüglich Besteuerung
der Konzerne und der Dividenden für
verbundene Unternehmen.
Einige Steueranreize haben kein
deutsches Äquivalent und umgekehrt:
das deutsche System ermöglicht die
Goodwill-Abschreibung und fördert
damit das externe Wachstum der deut-
schen Unternehmen.
Die Gewinnbesteuerung ist ver-
gleichbar
:
sie
beträgt
31 %
in
Deutschland
(Körperschaftsteuer
+ Gewerbesteuer)
und
34,6 %
in
Frankreich.
Mehrwertsteuer
Eine scheinbare
Konvergenz beider Länder
Da die Bemessungsgrundlage der
Mehrwertsteuer seit 1967 gemeinsamen
europäischen Regeln unterliegt, haben
sich Frankreich und Deutschland vor
allem in puncto Sätze angenähert. Die
Regelsätze
in
Frankreich
und
Deutschland sind heute fast identisch:
19,6 % in Frankreich und 19 % in
Deutschland. Die ermäßigten Sätze sind
auch ähnlich: 5,5 % in Frankreich und
7 % in Deutschland. Beide Länder lie-
gen damit unter dem europäischen
Durchschnitt (2010: 20,52 % für den
Regelsatz und 8,46% für den ermäßig-
ten Satz). Der Anteil der Einnahmen aus
der Mehrwertsteuer am BIP (7%) in bei-
den Ländern liegt auch unter dem euro-
päischen Durchschnitt (7,6 %).
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Steuer- und Abgabenblöcke
18
Weiterbestehende
Unterschiede
Stärkere Zunahme der Einnahmen aus der
Mehrwertsteuer in Deutschland im Laufe
der letzten zwanzig Jahre
Diese vergleichbaren Sätze resultie-
ren aus unterschiedlichen Entwicklun-
gen. Seit 1990 hat Deutschland den
Regelsatz um 5 Punkte angehoben im
Vergleich zu 1 Punkt in Frankreich. Die
Einnahmen aus der Mehrwertsteuer bil-
den
heute
fast
18%
der
Gesamtsteuereinnahmen in Deutsch-
land gegenüber 16,4% in Frankreich.
Frankreich macht öfter Gebrauch von ermä-
ßigten Sätzen und Sondersätzen
Frankreich macht öfter Gebrauch
von ermäßigten Sätzen. Dies betrifft vor
allem
den
Gaststättenbereich
und
arbeitsintensive Dienstleistungen im
Sinne
der
Mehrwertsteuerrichtlinie
(Reparatur- und Renovierungsarbeiten
im Hochbau), die in Frankreich dem
ermäßigten Satz und in Deutschland
dem Regelsatz unterliegen.
Frankreich wendet einen stark ermä-
ßigten Satz ohne deutsches Äquivalent
von 2,1%, auf Bücher, Presseerzeu-
gnisse und erstattungsfähige Arznei-
mittel.
Deutschland greift weniger auf den
ermäßigten zurück und hat keine
Sondersätze eingeführt: dies bewirkt
eine Verbesserung des Wirksamkeitsfak-
tors.
Die Anhebung der Mehrwertsteuer ist Teil
der deutschen Strategie zur Verringerung
des Haushaltsdefizits
Deutschland
hat
den
Mehrwertsteuer-Regelsatz am 1. 1. 2007
um 3 Prozent angehoben. Von den 3
Prozent wurden zwei Prozent zum
Abbau des Haushaltsdefizits und 1
Prozent
zur
Senkung
der
Sozialversicherungsbeiträge herangezo-
gen. Auch wenn die Anhebung des
Regelsatzes zur Zeit nicht auf der
Tagesordnung
steht,
findet
in
Deutschland eine Diskussion um die
Auswirkung einer Einengung des ermä-
ßigten Mehrwertsteuer-Satzes auf das
Steueraufkommen statt. In Frankreich
werden
zahlreiche
Ziele
mit
der
Mehrwertsteuer und insbesondere mit
dem ermäßigten Satz verfolgt und selten
erreicht
(Unterstützung
von
Wirtschaftszweigen,
Förderung
der
Beschäftigung,
Bekämpfung
der
Schwarzarbeit); in Deutschland liegt
anscheinend
das
Hauptziel
der
Mehrwertsteuer im Steueraufkommen.
Eine Angleichung des französischen
ermäßigten
Satzes
und
des
Geltungsbereichs dieses Satzes an die
deutschen
Verhältnisse
hätte
Mehreinnahmen von ca. 15,3 Mrd. Euro
zur Folge.
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Steuer- und Abgabenblöcke
19
Steuer- und Abgabenblöcke
20
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Umweltsteuern
Die Steuern auf
Energieerzeugnisse sind
höher in Deutschland
Das Scheitern der CO2-Steuer in
Frankreich
Frankreich hat zwei Mal versucht,
eine
CO2-Steuer
einzuführen:
die
TGAP (Allgemeine Steuer auf umwelt-
belastende Aktivitäten) auf Energieer-
zeugnisse im Jahr 2000 und den CO2-
Beitrag in 2010. Beide Steuergesetzent-
würfe wurden vom Conseil constitu-
tionnel
mit
der
Begründung
der
Verletzung
des
Prinzips
der
Steuergleichheit zurückgewiesen.
Die seit 1999 schrittweise durchgeführte
Ökosteuerreform in Deutschland
Deutschland hat hingegen 1999 eine
Ökosteuerreform durchgeführt, die eine
Stromsteuer eingeführt und nach eine
Anhebung der Mineralölsteuer bewirkt
hat: für Benzin und Diesel wurde sie in
mehreren Schritten von jährlich 3,07
Cent pro Liter hinaufgesetzt. Mit diesem
Zusatzaufkommen wurde eine Senkung
der Rentenversicherungsbeiträge um 1,7
Prozent
finanziert.
Ein
zweiter
Reformschritt 2006 führte dann zur
Einführung der Energiesteuer auf
Kohle. Heute sind die auf Kraftstoffe
und Strom erhobenen Steuersätze höher
in
Deutschland.
Frankreich
wie
Deutschland erheben hohe Steuersätze
auf
Kraft-
und
geringere
auf
Brennstoffe
im
Vergleich
zur
Europäischen Union. Dies entspricht
einem Preis der Kohlenstofftonne unter
dem allgemein gültigen Schattenpreis
von 32 €: 3 € für Kohle und 23 € für
Heizöl in Deutschland, 21 € für Heizöl
in Frankreich.
Die Steuern und Abgaben
auf den Straßenverkehr:
die Entwicklung ist kohä-
renter in Deutschland
Im Zuge der seit 1999 durchgeführ-
ten Reformen hat Deutschland eine
Neuordnung der Steuern und Abgaben
auf den Straßenverkehr vorgenommen:
die Tarife der Kraftfahrzeugsteuer nach
Emissionsklassen wurden gestaffelt und
eine LKW-Maut eingeführt.
Die in Frankreich verfolgte Politik
war weniger kohärent. Zeitgleich mit der
Ökosteuerreform in Deutschland hat
Frankreich die Kraftfahrzeugsteuer für
PKWs abgeschafft. Im nachhinein wur-
den neue Steuern eingeführt, insbeson-
dere die Bonus-Malus-Regelung für
Fahrzeuge
und
die
Schwerverkehrsabgabe (Pendant zur
deutschen Maut).
Im Zuge dieser Entwicklung scheint
die
Lage
heute
kontrastiert.
Das
Aufkommen aus der Kraftfahrzeugs-
teuer in Frankreich ist bedeutend gerin-
ger als in Deutschland (2,5 Mrd. € im
Vergleich zu 8 Mrd. €).
21
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Cour des comptes
3
Wichtigste Erkenntnisse
aus dem Vergleich der
Steuersysteme
Die
Steuergleichungen –
ähnlich und ver-
schieden zugleich
Obwohl beide
Steuersysteme sich insge-
samt ähnlich sind, beste-
hen doch erhebliche
Unterschiede
Beide Länder besitzen ein hoch
entwickeltes soziales Sicherungssystem,
das
zum
großen
Teil
von
Sozialversicherungsbeiträgen-
und
Abgaben
finanziert
wird.
Dieses
gemeinsame Merkmal hat zur Folge,
dass die Arbeitskosten der wenig qualifi-
zierten Arbeit in den beiden Ländern
ein besonderes Anliegen sind. Dies hat
beide veranlasst, den sozialen Schutz
verstärkt über zweckgebundene Steuern
in Frankreich und mittels Subventionen
aus dem Bundesetat in Deutschland zu
finanzieren.
Die Steuersysteme in Frankreich
und Deutschland basieren auf Steuern
mit oft ganz ähnlichen Merkmalen. So
sind z.B. die Mehrwertsteuersätze fast
identisch:
Regelsatz
in
Frankreich
19,6%,
in
Deutschland
19%;
Einkommensteuer
mit
einem
Höchstgrenzsteuersatz von 45% in
Deutschland und 40% in Frankreich;
Abgabenbelastung der Unternehmens-
gewinne (33,3 % in Frankreich, zwi-
schen 30 % und 35 % in Deutschland,
wenn
man
für
Deutschland
die
Gewerbesteuer mitberücksichtigt).
Die Gesamtsteuer- und Abgabenlast
in Deutschland und Frankreich liegt
deutlich über dem Durchschnitt der
Eurozone und der OECD. Es gibt kei-
nerlei signifikanten Steuerwettbewerb
zwischen den beiden Ländern. Die wirt-
schaftliche Attraktivität Deutschlands
und Frankreichs beruht vor allem auf
nichtsteuerlichen Faktoren wie gute
Infrastrukturen, leistungsfähige öffent-
liche Dienste und gut ausgebildete
Arbeitskräfte.
Der Vergleich hat neben teilweise
seit Langem bestehenden Unterschie-
den
auch
neuere
steuerpolitische
Divergenzen zu Tage gebracht:
-
Besonders
nennenswerte
Unterschiede sind: eine stärker inte-
grierte Steuerung der Steuerpolitiken in
Deutschland,
da
die
finanzielle
Autonomie der Länder nicht auf eige-
nen
Steuereinnahmen
basiert
und
Deutschland keine zweckgebundenen
Steuern
zur
Finanzierung
der
Sozialausgaben
hat;
das
größere
Gewicht
der
Sozialabgaben
in
Frankreich, da ein großer Teil der
Familienleistungen über Lohnabgaben
finanziert wird; bedeutende Unters-
chiede bei der Vermögensbes-teuerung,
die zum Teil aufs unterschiedliche
Gewicht
der
Besteuerung
von
Grundbesitz zurückzuführen sind; zahl-
reiche
Steuern
und
Abgaben
in
Frankreich, die die Produktionskosten
belasten: sie belaufen sich allein für den
lohnsummenabhängigen
Teil
auf
26,5 Mrd. € und haben kein deutsches
Äquivalent;
-
Unter den Divergenzen, die für
die Politik der letzten zehn Jahre
bezeichnend
sind,
verdienen
drei
Gesichtspunkte besondere Nennung:
Frankreich räumt der Kontrolle der
öffentlichen Defizite eine geringere
Priorität ein; das Gewicht der Steuer-
und Sozialnischen in den 2000er Jahren
hat
schneller
zugenommen;
Deutschland hat kontinuierlich das Ziel
der
Haushaltssanierung
und
der
Wiederherstellung der Wettbewerbs-
fähigkeit seiner Wirtschaft verfolgt.
Die deutsche
Steuerpolitik ist
expliziter und stär-
ker neutralitätso-
rientiert
Die deutsche Steuerpolitik bestimmt
klarer ein vorrangiges Ziel für jede
Steuer- und Abgabenkategorie. Die
Mehrwertsteuererhöhung um 3 Punkte
zum 1. Januar 2007 z.B. wurde zum
größten Teil durch die erforderliche
Haushaltssanierung gerechtfertigt. Die
Reformen der Körperschaftsteuer 2000
und 2008 verfolgten das allgemeine Ziel,
die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Unternehmen und die Attraktivität des
Standorts Deutschland zu verbessern;
die Einkommensteuer ist offensichtlich
ein Instrument der Umverteilung: dies
wurde
durch
die
2008
erfolgte
Einführung eines Spitzensteuersatzes
von 45% für Jahreseinkommen über
250.000 Euro erneut bekräftigt. Im
Vergleich dazu ist die Steuerdebatte in
Frankreich weniger klar; vielen Steuern
oder Steuermodalitäten werden vielfäl-
tige Ziele zugeordnet: ein Beispiel aus
jüngster Zeit ist die Anwendung des
ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für
Gaststätten und Restaurants.
Die deutsche Steuerpolitik ist klarer
auf die wirtschaftliche Neutralität der
einzelnen
Steuern
ausgerichtet.
Unabhängig
von
Steuerbereich
–
Unternehmenssteuern, Einkommens-
teuer oder Mehrwertsteuer – werden die
Steuern in Deutschland weit weniger
Anreize angeboten. Der für Frankreich
typische „steuerliche Interventionis-
mus“ basiert unter anderem auf unter-
schiedlichen wirtschaftlichen Konzep-
tionen über die Rolle des Staates und
des Markts.
In Deutschland ist die Fülle der fis-
kalischen Vorschriften geringer und
diese Vorschriften sind vorhersehbarer.
Der Grund dafür liegt wahrscheinlich an
der Aufteilung der Steuereinnahmen
zum großen Teil zwischen Bund und
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Wichtigste Erkenntnisse aus dem
Vergleich der Steuersysteme
22
Ländern
und
an
der
politischen
Tradition
detailliert
ausgehandelter
Koalitionsprogramme, die dann wäh-
rend der gesamten Legislaturperiode
umgesetzt werden.
Schließlich
ist
die
öffentliche
Steuerdebatte in Deutschland stärker als
in Frankreich durch bezifferte Ziele
strukturiert, im Wesentlichen in der
Form von Höchststeuersätzen. Für die
lohnabhängigen
Sozialbeiträge
z.B.
haben die sukzessiven Regierungen
einen Satz von insgesamt 40% festge-
legt. Ein ähnliches Ziel wurde anlässlich
der Reform der Körperschaftsteuer im
Jahr 2008 festgelegt.
Die spezifischen
Gegebenheiten in
Frankreich
Drei Merkmale der Situation in
Frankreich schränken die möglichen
Annäherungs- und Konvergenzmargen
ein.
Eine
strenge
und
beständige
Kontrolle der öffentlichen Ausgaben ist
die Voraussetzung für die absolute
Notwendigkeit der Haushaltssanierung,
ohne dass dabei ausgeschlossen wird,
bei den Einnahmen anzusetzen. Alle
Überlegungen zur Veränderung unseres
Steuersystems müssen auf der Basis
eines kurzfristig konstanten Ertrags
unter Zugrundelegung konservativer
Annahmen angestellt werden.
Das Ziel der Wettbewerbsfähigkeit
hat eine zentrale Bedeutung angesichts
des
Risikos
einer
zunehmenden
Abkopplung zwischen der deutschen
und der französischen Wirtschaft und
der
Tatsache,
dass
der
relative
Kostenvorteil, den die französischen
Wirtschaft zu Beginn der 2000er Jahre
noch hatte, verschwunden ist.
Das Umverteilungsziel spielt eine
größere Rolle in unserem Steuersystem.
Gleichwohl
kann
die
vertikale
Umverteilung auf zwei Wegen stattfin-
den: über Steuern und Abgaben sowie
über Transferleistungen, die wahr-
scheinlich ein präziseres und für verti-
kale Umverteilungsziele besser geei-
gnetes Instrument darstellen.
Konkretisierungsmö
glichkeiten, die
klare Entscheidun-
gen erfordern
Lösungsansätze nach
Steuerblöcken
Die
Senkung
der
progressiven
Einkommensbesteuerung (das relative
Gewicht der Einkommensteuer hat sich
innerhalb von 20 Jahren auf nur noch
2,59% BIP-Punkte im Jahr halbiert) und
der proportionalen Besteuerung (CSG
und CRDS) wirft zwangsläufig die Frage
nach einer generellen Überarbeitung
dieser Steuern und nach der insgesamt
wünschenswerten Progressivität auf. In
Deutschland sind diese Steuern nach
wie vor etwas progressiver und deutlich
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Wichtigste Erkenntnisse aus dem
Vergleich der Steuersysteme
23
höher. Auf der anderen Seite wird
Vermögen weniger stark besteuert, und
die Finanzierung der sozialen Sicherheit
erfolgt weniger solidarisch.
Die in den letzten zehn Jahren deut-
lich divergierende Entwicklung der
Lohnstückkosten macht die Frage nach
einer
geringeren
Besteuerung
des
Faktors Arbeit zur Priorität, insbeson-
dere für die dem internationalen
Wettbewerb ausgesetzten Unterneh-
men.
Abgesehen
von
diesen
beiden
Themen ist auch die Tatsache zu nen-
nen, dass das Nebeneinander von hohen
Arbeitgeberbeiträgen auf der einen und
kräftigen Beitragsermäßigungen für
Niedriglöhne auf der anderen Seite das
französische System unübersichtlich
mache und es nicht ermögliche, sie
explizit in den Steuertarif einzubezie-
hen.
Frankreich ist einer entgegengesetz-
ten Politik bezüglich Mehrwertsteuer
gefolgt. Das Mehrwertsteueraufkom-
men hat sich zwischen 1995 und 2008
um 0,4 BIP-Punkte verringert; damit
steht
Frankreich
heute
in
der
Europäischen Union ganz allein. Im
Hinblick auf den budgetären Effekt
machen zwei Posten, nämlich die
Anwendung des ermäßigten Satzes auf
bauliche Leistungen im Wohnungsse-
ktor
und
Dienstleistungen
im
Gaststättengewerbe, zwei Drittel der bei
einer Angleichung des französischen
ermäßigten Satzes auf den deutschen
ermäßigten Satz anfallenden zusätzli-
chen Steuereinnahmen (15 Mrd. €) aus.
Auch
wenn
die
globale
Unternehmensbesteuerung in beiden
Ländern ähnlich ist, hat Deutschland in
den
2000er
Jahren
auf
eine
Verbreiterung der Bemessungs-grund-
lage in Verbindung mit einer Senkung
der Sätze hingearbeitet.
Deutschland befindet sich in Bezug
auf
die
globale
Besteuerung
des
Vermögens weit unter den OECD-
Ländern. Aufgrund dieser untypischen
Lage kann es nicht als Maßstab für
Frankreich gelten. Dennoch sind einige
Komponenten nützliche Bezugspunkte:
- Deutschland hat sich klar für eine
stärkere Besteuerung der Vermögenser-
träge und eine Senkung bzw. Erhaltung
einer
niedrigen
Besteuerung
des
Vermögensbesitzes
und
der
Vermögensübertragung
entschieden.
Dies ist mit einer Politik der hohen
Einkommensbesteuerung mit einem
höheren Höchstgrenzsteuersatz einher-
gegangen;
-
Die
Abschaffung
bzw.
Aussetzung der Vermögensteuer in
Deutschland und in anderen Ländern ist
zum Teil auf die juristische und politi-
sche Problematik, die Bewertung der
Immobilien auf einer zufriedenstellen-
gen Grundlage vorzunehmen, zurück-
zuführen. In dieser Hinsicht ist die
Tatsache,
dass
die
französische
Vermögensteuer ISF auf der Bewertung
der Immobilien nach ihrem Marktwert
beruht, eine solidere Lösung. Dennoch
weist die französische ISF angesichts
der Inflationsentwicklung und der
Rentabilität von Wertpapieren zwei
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Wichtigste Erkenntnisse aus dem
Vergleich der Steuersysteme
24
intrinsische Schwächen auf: eine beson-
ders schmale Bemessungsgrundlage und
hohe progressive Steuersätze;
-
Bezüglich der Besteuerungs-
modalitäten für Vermögenserträge hat
sich Deutschland klar für die pauschale
Abgeltungssteuer
entschieden.
Das
französische System in diesem Bereich
ist durch ein Nebeneinander einer pro-
portionalen „sozialen“ Besteuerung und
einer Besteuerung auf der Grundlage
des Steuertarifs (fiscalité d’Etat), aber
mit
der
Wahlmöglichkeit
einer
Abgeltungssteuer, geprägt. All dies lässt
eine
globale
Überprüfung
ratsam
erscheinen;
-
In Bezug schließlich auf die
Besteuerung der Übertragung von
Betriebsvermögen kennzeichnet sich
Deutschland durch die Steuerfreiheit
der Veräußerung von Geschäften und
von Gesellschaftsanteilen und durch die
strengeren Auflagen in Bezug auf
Aufrechterhaltung des Betriebs und der
Arbeitsplätze, um in den Genuss dieser
großzügigen Regeln zu kommen;
Der Vergleich der Umweltsteuerge-
setze lässt zwei Bereiche erkennen, wo
eine Annäherung gegenüber den in
Deutschland verfolgten Politiken zu
einer Verbesserung der budgetären
Spielräume führen könnte: Energiever-
brauch und Kraftfahrzeugsteuer.
Die anstehenden grundle-
genden Entscheidungen
Der Vergleich mit Deutschland
zeigt, dass Frankreich nicht umhin kom-
men wird, demnächst die Behebung des
in jüngster Zeit gegenüber Deutschland
entstandenen Gefälles in Bezug auf die
öffentlichen Finanzen und auf die
Wettbewerbsfähigkeit in Angriff zu
nehmen. Dazu wird Frankreich zwangs-
läufig u.a. auf das Instrument der
Steuern und Abgaben zurückgreifen
müssen.
Unabhängig von der gewünschten
Überprüfung
der
„Steuer-
und
Sozialnischen“ hat der Vergleich zwei
Spielräume identifiziert: im Bereich der
Verbrauchsteuern (in Zusammenhang
mit dem Anwendungsbereich und der
Höhe des ermäßigten Mehrwertsteuer-
satzes)
und
im
Bereich
der
Umweltsteuern (insbesondere Besteue-
rung der Energieerzeugnisse und der
PKWs). Diese Spielräume können zum
Abbau der öffentlichen Defizite oder
zur Verbesserung der Wettbewerbs-
fähigkeit durch die Senkung der Steuern
auf
den
Faktor
Arbeit
und
der
Produktionskosten der Unternehmen
benutzt werden.
Bezüglich der Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit könnten an erster
Stelle die Arbeitgeberbeiträge gesenkt
werden (Familienzweig) oder die nach
der Lohnsumme bemessene Unterneh-
mensabgaben, die die Produktionskos-
ten belasten. Dies könnte die progres-
sive Umstellung von einer Finanzierung
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Wichtigste Erkenntnisse aus dem
Vergleich der Steuersysteme
25
öffentlicher Maßnahmen ohne direkten
Bezug zu den Unternehmen (Familien-,
Ver-kehrs-, Wohnungspolitik) durch den
Erwerbssektor zu einer universellen
Finanzierung unter Berücksichtigung
der Umverteilungseffekte bewirken.
Europäische
Politiken und ein
Impulse und
Kohärenz vermit-
telnder deutsch-
französischer
Rahmen
Die Grenzen der
Konvergenzpolitik auf
Ebene der Europäischen
Union
Die im EU-Vertrag vorgesehenen
Bestimmungen zum Steuerwesen unter-
liegen der Einstimmigkeitsregel. Sie
orientieren sich an dem zentralen Ziel
der Förderung einer angemessenen
Funktionsweise des Binnenmarktes. Die
Festlegung von gemeinsamen Bemes-
sungsgrundlagen und Mindestsätzen für
die indirekten Steuern hat in keiner
Weise verhindert, dass Länder wie
Frankreich und Deutschland in der jün-
geren Vergangenheit auf diesem Gebiet
völlig gegensätzliche Orientierungen
verfolgt haben. Insgesamt ist festzustel-
len, dass der Steuerwettbewerb inner-
halb der EU sich wegen der – bedingt
durch die Erweiterung – zunehmenden
Heterogenität unter den Mitgliedstaaten
eher intensiviert. Gleichzeitig greifen die
traditionellen Harmonisierungsinstru-
mente immer weniger. Daher landen
viele Themen letztlich beim Gerichtshof
der Europäischen Union.
Die in der EU insgesamt fehlende
Konvergenzdynamik fehlt auch in der
Euro-Zone, wo sie eigentlich noch not-
wendiger wäre. Dies ist bedingt durch
die Schwäche der Instrumente zur
Koordinierung der Wirtschafts- und
Fiskalpolitik, die manche Staaten keines-
wegs davon abgehalten haben, im
Bereich Unternehmensbesteuerung eine
„aggressive“ Politik zu verfolgen.
Möglichkeiten im deutsch-
französischen Rahmen
Um eine zunehmende Konvergenz
der Steuerpolitik beider Länder herbei-
zuführen - basierend auf einem starken
politischen Willen - können mehrere
Handlungshebel bewegt werden:
-
Definieren
gemeinsamer
Positionen, die dazu geeignet sind, das
Zustandekommen eines Konvergenz-
prozesses auf Ebene der Europäischen
Union zu erleichtern: ausgehend von
gemeinsamen
deutsch-französischen
Positionen als Kern könnte eine breitere
Konvergenz entstehen: der Vertrag bie-
tet die Möglichkeit der „verstärkten
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Wichtigste Erkenntnisse aus dem
Vergleich der Steuersysteme
26
Zusammenarbeit“
zwischen
einem
engeren Kreis von Mitgliedstaa-ten;
-
Identifizierung
erfolgreicher
Praktiken: jedes Land kann sich bemü-
hen, das eigene System leistungsfähiger
zu machen;
-
Umsetzung eines Vereinfa-
chungsprogramms mit dem Ziel einer
„Konvergenz im Alltag“ für die betrof-
fenen
Unternehmen
und
privaten
Haushalte (grenzüberschreitende Über-
tragung eines aus Unternehmen beste-
henden Vermögens, Begründung der
Verrechnungspreise). Diese beispiel-
hafte Liste von Unterschieden zwischen
den
steuerlichen
Praktiken
in
Deutschland und Frankreich zeigt die
Bedeutung kontinuierlicher Bemühun-
gen zur Analyse und Lösung dieser
Fragen.
Sofern sie durch einen klaren und
konstanten politischen Willen auf bei-
den Seiten gestützt würden, könnte der
Deutsch-Französische Ministerrat als
Impulsgeber
und
der
Deutsch-
Französische
Wirtschafts-
und
Finanzrat als zentrale Stütze fungieren
könnten:
-
regelmäßig (jeweils im ersten
Halbjahr, in Verbindung mit dem von
der Kommission gesteuerten haushalts-
politischen Verfahren des „Europäis-
chen Semesters“) stattfindender, vertief-
ter Austausch über die kurz- und mittel-
fristigen steuerpolitischen Orientierun-
gen mit dem Ziel einer stärkeren
Konvergenz der Steuerpolitiken;
-
Festlegung
eines
jährlichen
Arbeitsprogramms zur Lösung techni-
scher oder praktischer Fragen, die
Wirtschaftsbeteiligten
wie
auch
Privatpersonen Schwierigkeiten berei-
ten;
-
Mobilisieren von qualifiziertem
Fachverstand über Themen bezüglich
Steuern und Abgaben sowie deren wirt-
schaftliche und soziale Folgen.
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Wichtigste Erkenntnisse aus dem
Vergleich der Steuersysteme
27
Sowohl in Bezug auf das Steuern- und Abgabenniveau als auch auf deren Struktur und die
effektiven Steuersätze sind sich die beiden Länder vielfach bereits sehr nahe. Zudem können
Deutschland und Frankreich sich gemeinsam einsetzen für eine größere Steuerharmonisierung auf
europäischer Ebene, wie z.B. im Bereich der Unternehmensbesteuerung. Im Rahmen der Eurozone
könnte die steuerliche Komponente der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und
Frankreich verstärkt werden.
Die Übung des Vergleichens der Steuersysteme beider Länder ist sehr aufschlussreich, aber
auch ein Grund zur Sorge.
Frankreich hat eine um 3 Punkte höhere Abgabenquote als Deutschland. Dieses strukturelle
Defizit, auf das die Cour des comptes immer wieder hingewiesen hat, ist in erster Linie bedingt
durch eine geringere Fähigkeit Frankreichs, das Wachstum der öffentlichen Ausgaben einzudäm-
men. Darüber hinaus besteht auch ein Zusammenhang mit den ermittelten Unterschieden in der
Konzeption der Steuerpolitik (höherer Vorrang der Erhaltung der Budgeteinnahmen in
Deutschland, stärkere Beachtung der wirtschaftlichen Neutralität) bzw. der Haushaltspolitik (de
facto-Verbot eines dauerhaften Defizits der Sozialhaushalte).
Neben diesen fiskalischen Unterschieden sind auch wirtschaftliche Divergenzfaktoren zu
erkennen, die für Frankreich bedenklich sind. Deutschland hat ab Beginn der 2000er Jahre dezi-
diert der Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit eine klare und konstante Priorität eingeräumt
und erntet heute die Früchte dieser Strategie (Kostenwettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung,
Handelsbilanz). Die von Deutschland verfolgte Steuerpolitik hat ihren Beitrag geleistet.
Frankreich darf nicht zulassen, dass diese Divergenzfaktoren weiter ihre Wirkung entfalten.
Für die Steuer- und Abgabenpolitik im weiteren Sinne heißt dies, dass sie künftig ganz dezidiert
auf die Wiederherstellung des öffentlichen Finanzgleichgewichts und in einem absehbaren und aus-
reichend stabilen Rahmen ausgerichtet sein muss. Der Vergleich hat vorhandene Spielräume
(Infragestellung der „Steuer- und Sozialnischen“; Anwendungsbereich und Sätze der ermäßigten
Mehrwertsteuer; Besteuerung der Energieerzeugnisse und des Verkehrs) und deren
Nutzungsmöglichkeiten (verstärkter Defizitabbau oder geringere Besteuerung des Faktors Arbeit).
Daher ist es wichtig, dass diese klare Ausrichtung, um die erwarteten Wirkungen zu entfalten, auf
möglichst breiter Basis von allen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verantwortungsträgern
unterstützt wird und zu einer im Finanzplanungsgesetz verankerten mittelfristigen Steuerstrategie
führt, deren Umsetzung auf Dauer angelegt ist.
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Allgemeine Schlussbemerkungen
28
Bezüglich
der
allgemeinen
Merkmale der Länder und ihrer
Steuer- und Abgabensysteme :
Seit
einigen
Jahren
sind
Deutschland und Frankreich auf wirt-
schaftlicher Ebene divergierenden
Trends gefolgt; dies gilt für das
Wachstum der beiden Länder ebenso
wie für die Wettbewerbsfähigkeit ihrer
Exporte oder die Arbeitslosenquote.
Nur
die
Entwicklung
der
Ungleichheiten war im Betrachtungs-
zeitraum in Deutschland ungünstiger;
Die Lohnstückkosten der fran-
zösischen
Industrie
haben
im
Zeitraum 2000-2008 um 10 Punkte
stärker zugenommen als die der deut-
schen Industrie; durch diese Entwick-
lung, die nicht nur in Frankreich statt-
gefunden hat, ist der am Anfang der
2000er Jahre bestehenden Unterschied
zwischen beiden Ländern verschwun-
den;
Die öffentliche Finanzlage der
beiden Länder ist sehr unterschiedlich:
in Frankreich ist das strukturelle
Defizit um mehr als 3 BIP-Punkte
höher als in Deutschland;
Verglichen mit den anderen
europäischen Staaten weisen Fran-
kreich wie auch Deutschland eine
hohe Gesamtsteuer- und Abgaben-
belastung auf. Allerdings besteht in
Deutschland in stärkerem Umfang als
in Frankreich ein Trend nach unten.
Das Gefälle bei der Gesamtsteuer-
und Abgabenbelastung beträgt 3,5
BIP-Punkte, wobei zwei Drittel dieser
Differenz sich durch einen unter-
schiedlichen Aufbau der sozialen
Sicherungssysteme erklären lassen;
Das Gewicht der Verbrau-
chsbesteuerung ist in beiden Ländern
vergleichbar. Seit 2000 sind jedoch
divergierende Trends festzustellen:
dem in Frankreich – insbesondere
bedingt durch die Einführung einer
Vielzahl ermäßigter Mehrwertsteuer-
sätze – feststellbare Rückgang steht in
Deutschland wie in den meisten
Ländern Europas in jüngster Zeit ein
Anstieg gegenüber.
Die Besteuerung der Arbeit-
seinkommen ist in den beiden Ländern
von der Höhe her vergleichbar; in
Deutschland tendiert sie allerdings seit
einigen Jahren nach unten, was in
Frankreich nicht der Fall ist. Unter den
verschiedenen steuerlichen Belastun-
gen des Faktors Arbeit gibt es in
Frankreich jedoch viele nach der
Lohnsumme bemessene Unterneh-
mensabgaben (u.a. die Lohnsummen-
steuer/„taxe sur les salaires“ -, die
Nahverkehrsabgabe/„versement
transport“,
die
Ausbildungsa-
bgabe/„taxe d’apprentissage“), die seit
2000
gestiegen
sind
und
in
Deutschland nicht existieren.
Die Besteuerung des Kapitals,
die sich in beiden Ländern seit 2000
sehr wenig verändert hat, ist die
wesentliche
Ursache
für
den
Unterschied in der Gesamtsteuer- und
Abgabenbelastung. Dieser lässt sich
dadurch erklären, dass bestimmte
Abgaben in Frankreich höher sind als
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Wichtigste Befunde
29
in Deutschland (Grundsteuer/“impôts
fonciers“
und
Grunderwerbss-
teuer/“droits de mutation“) bzw. es
dort gar kein Äquivalent dafür gibt
(„contribution économique territo-
riale“
und
„C3S“
für
die
Unternehmen, „taxe d’habitation“ und
in geringerem Umfang auch die
Vermögenssteuer ISF für die privaten
Haushalte);
Die Umweltsteuern sind sowohl
in Frankreich als auch in Deutschland
rückläufig und zeichnen sich im
Vergleich zu den anderen Ländern der
Europäischen Union durch ihren
geringen Umfang aus. In Frankreich
wäre dieser noch geringer, wenn man
die Nahverkehrsabgabe/“versement
transport“ aus der Statistik herausneh-
men würde;
Die seit dem Jahr 2000 in den
beiden Ländern geführte Steuerpolitik
weist viele Kontraste auf. Bei allen
Überlegungen in Richtung steuerliche
Konvergenz ist stets zu beachten, dass
die öffentlichen Finanzspielräume in
den beiden Ländern nicht die gleichen
sind.
Bezüglich
der
Steuer-
und
Abgabenbelastung der privaten
Einkommen :
Der Anteil der Einkommens-
teuer am BIP ist in Deutschland drei-
mal so hoch wie in Frankreich (im Jahr
2008 9,6 % im Vergleich zu 2,6 %), da
die Bemessungsgrundlage in Fran-
kreich
durch
umfangreiche
Pauschalabzüge
und
kostspielige
Steuererleichterungen verringert wird
und der obere Grenzsteuersatz dort in
den letzten Jahren stärker gesunken ist.
Der Rückgang der Einkommensteuer
in Frankreich ist seit rund zwanzig
Jahren mit einer Zunahme der propor-
tionalen Sozialsteuern CSG und später
CRDS einhergegangen, die zusam-
mengenommen Einnahmen in Höhe
von ca. 4,6% des BIP (2008) repräsen-
tieren;
Die in Deutschland fast zu glei-
chen Teilen auf die Arbeitgeber und
die
Arbeitnehmer
entfallenden
Sozialbeiträge sind in Frankreich –
trotz weitreichender Befreiungen für
Niedriglöhne – durch einen hohen
Arbeitgeberanteil geprägt (11% des
BIP,
gegenüber
4%
für
den
Arbeitnehmeranteil). Im Gegensatz zu
Frankreich sind die Sozialbeiträge in
Deutschland
wegen
der
hohen
Beitragsbemessungs- und Beitrags-
grenzen degressiv;
Die Gesamtauswirkungen die-
ser – sehr unterschiedlich strukturier-
ten – sozialen und steuerlichen
Abgaben auf die Arbeitskosten ist
dennoch
in
Deutschland
und
Frankreich recht ähnlich, mit einem
„Steuer-
und
Abgabenkeil“
von
nahezu 50 % in beiden Ländern. Auch
hinsichtlich
der
Berücksichtigung
familiärer Lasten gelangt man mit
unterschiedlichen Systemen zu ähnli-
chen
Ergebnissen,
allerdings
in
Frankreich mit einem relativen Vorteil
für Familien mit drei oder mehr
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Wichtigste Befunde
30
Kindern
und
einkommensstarke
Familien.
Bezüglich der Vermögensbes-
teuerung:
In Deutschland haben die
steuerpolitischen Entscheidungen der
Vergangenheit zu einem sehr geringen
Gewicht der Vermögensbesteuerung
in Höhe von nur 0,85% (2009) des
PIB geführt; dies ist weniger als die
Hälfte
des
OECD-Durchschnitts.
Frankreich dagegen befindet sich in
einer
genau
entgegengesetzten
Position:
hier
machen
die
Vermögenssteuern 3,41% des BIP aus,
also fast das Zweifache des OECD-
Durchschnitts;
Bei
der
Besteuerung
des
Vermögensbesitzes bestehen ganz
erhebliche Unterschiede zwischen den
beiden Ländern. Deutschland hat die
Steuern auf den Kapitalbestand seit
Ende der 1990er Jahre ausgesetzt
(Vermögenssteuer) bzw. abgeschafft
(Gewerbekapitalsteuer)
und
die
Grundsteuereinnahmen auf einem
bescheidenen und im Zeitverlauf sta-
bilen Niveau gehalten. Frankreich hat
dagegen eine starke Dynamik seiner
Grundsteuereinnahmen erlebt und ist
darüber
hinaus
der
einzige
Mitgliedstaat der Europäischen Union,
der noch auf nationaler Ebene
Vermögen besteuert;
Beide Länder haben in letzter
Zeit durchaus vergleichbare Reformen
der
Gebühren
auf
entgeltliche
Eigentumsübertragungen
durchge-
führt, um zum einen kleinere und mit-
tlere Vermögensübertragungen weit-
gehend zu befreien und zum anderen
Unternehmensübertragungen
zu
erleichtern. Die Praktiken hinsichtlich
der
Gebühren
bei
entgeltlicher
Eigentumsübertragung sind in den
beiden Ländern jedoch sehr unter-
schiedlich, wobei in Deutschland der
Geltungsbereich enger und die Sätze
niedriger sind als in Frankreich;
Die Besteuerung der Vermö-
genseinkünfte schließlich beruht – bei
einem
insgesamt
vergleichbaren
Aufkommen – auf äußerst verschiede-
nen Mechanismen, mit einer nahezu
generellen pauschalen Abgeltungs-
steuer in Deutschland auf der einen
Seite und auf der anderen Seite einer
überwiegend tarifmäßigen Einkom-
mensteuer sowie immer stärker ins
Gewicht fallenden proportionalen
Sozialabgaben in Frankreich. Die
steuerpolitischen Entscheidungen der
jüngeren Vergangenheit haben in bei-
den
Ländern
zu
einer
höheren
Besteuerung von Veräußerungsge-
winnen geführt.
Bezüglich der Unternehmens-
besteuerung :
Die Besteuerung der Unterneh-
men hat im letzten Jahrzehnt in den
beiden Ländern eine divergierende
Entwicklung erlebt: während das
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Wichtigste Befunde
31
Gewicht der Körperschaftsteuer in
Deutschland von 30/40% (je nach-
dem, ob die Gewinne verteilt werden
oder nicht) im Jahr 1999 auf 15% im
Jahr 2008 reduziert wurde, ist der
Umfang dieser Steuer in Frankreich
insgesamt
gleich
geblieben.
Das
Aufkommen aus der Körperscha-
ftsteuer betrug in Deutschland 0,64%
des BIP (geringster Anteil unter allen
EU-Staaten), gegenüber 2,53% in
Frankreich. Allerding muss man diesen
Befund insoweit differenzieren, als ein
erheblicher
Teil
der
deutschen
Unternehmen
dem
Regime
für
Personengesellschaften unterliegt;
Da die Gewerbesteuer – in
Deutschland geltende Gemeindes-
teuer, der die Unternehmen unterlie-
gen – auf einer ähnlichen Bemessun-
gsgrundlage
basiert
wie
die
Körperschaftsteuer, versteht sich die
in Deutschland anfallende Abgaben-
quote auf Gewinne als Summe der
Belastungen aus Körperschaftsteuer
und Gewerbesteuer. Diese Quote ist
heute in Deutschland mit 31% etwas
geringer als in Frankreich (34,5%);
Die deutsche Körperschafts-
teuer ist stärker geprägt durch ein
Bemühen um Neutralität, d.h. es wird
ein niedrigerer Satz in Verbindung mit
einer breiteren Bemessungsgrundlage
bevorzugt. Das französische System
dagegen basiert auf dem Grundsatz
der Gewährung von Steuervergüns-
tigungen und zeichnet sich durch einen
höheren Steuersatz in Verbindung mit
einer schmaleren Bemessungsgrund-
lage
aus.
Die
bedeutendste
„Steuernische“ bei der französischen
Körperschaftsteuer (IS) ist die soge-
nannte „Forschungs-Steuergutschrift“
(„crédit d’impôt recherche“), für die es
in Deutschland keine Entsprechung
gibt;
Beide Systeme der Unterneh-
mensbesteuerung sind sich insgesamt
recht ähnlich und könnten sich länger-
fristig
auf
eine
gemeinsame
Bemessungsgrundlage stützen;
Das französische Steuersystem
umfasst allerdings eine Vielzahl von
Abgaben auf die Produktion, vor-
nehmlich
die
Lohnsummensteuer
(„taxe sur les salaires“) und die
Nahverkehrsabgabe
(„versement
transport“), die ca. 1,2% des BIP aus-
machen; in Deutschland gibt es dazu
kein Äquivalent.
Bezüglich der Mehrwertsteuer
Die Mehrwertsteuersätze und
der Anteil des Mehrwertsteuerauf-
kommens am BIP liegen in beiden
Ländern heute nahe beieinander.
Allerdings resultiert dies aus einer
divergierenden Entwicklung in den
letzten zwanzig Jahren, nämlich einem
Abwärtstrend der Mehrwertsteuer
innerhalb der Gesamtabgabenbelas-
tung
in
Frankreich
und
einer
Erhöhung in Deutschland;
Der
Geltungsbereich
der
Mehrwertsteue-rermäßigung ist in
Frankreich deutlich breiter als in
Deutschland; so hat Frankreich insbe-
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Wichtigste Befunde
32
sondere für den Gaststättenbereich
und
für
beschäftigungsintensive
Dienstleistungen (Reparaturarbeiten
im
Hochbau)
den
ermäßigten
Steuersatz
eingeführt,
während
Deutschland nur für das Hotelgewerbe
eine solche Maßnahme beschlossen
hat;
Parallel
zum
ermäßigten
Mehrwertsteuersatz
praktiziert
Frankreich
zahlreiche
Sondersätze
(fünf vom Normalsatz wie auch vom
ermäßigten Satz abweichende Sätze),
die für bestimmte Tätigkeitszweige
(Presseerzeugnisse und erstattungsfä-
hige Medikamente genießen einen
besonders stark reduzierten Satz von
2,1%) und Regionen (Korsika, Über-
see-Départements) gelten;
Insgesamt scheint die Effizienz
des französischen Mehrwertsteuersys-
tems
im
Sinne
der
fiskalischen
Ergiebigkeit geringer zu sein als in
Deutschland. Eine Angleichung an die
deutschen Gegebenheiten hinsichtlich
des ermäßigten Steuersatzes und des-
sen
Geltungsbereich
brächte
in
Frankreich zusätzliche Budgeteinnah-
men in Höhe von 15 Milliarden Euro.
Bezüglich der Umweltsteuern
:
Während Frankreich bei dem
Versuch, eine CO2-Steuer einzuführen,
zweimal gescheitert ist, hat Deutsch-
land seit 1999 die Umweltsteuern
schrittweise reformiert. Im Jahr 1999
wurde die sogenannte „Ökosteuerre-
form“ durchgeführt, die im Wesentli-
chen darin bestand, Besteuerung von
Energieerzeugnissen
(insbesondere
Kraftstoffen) und Strom zu erhöhen,
um die steuerliche Belastung des
Faktors Arbeit zu verringern. Diese
Reformen wurden seit 2005 Schritt für
Schritt ergänzt und insbesondere neue
Umweltabgaben eingeführt (LKW-
Maut, Luftverkehrssteuer). Deshalb
sind
die
Umweltsteuern
in
Deutschland heute stärker entwickelt
als in Frankreich;
Hinsichtlich der Besteuerung
von Energieerzeugnissen lässt sich
feststellen,
dass
beide
Länder
Kraftstoffe hoch besteuern, während
Brennstoffe weniger stark besteuert
werden als in der übrigen EU. Dabei
sind
die
Kraftstoffsteuersätze
in
Deutschland jedoch höher als in
Frankreich. Ebenso wird auch der
Stromverbrauch in Deutschland stär-
ker besteuert als in Frankreich;
Deutschland besteuert wie die
meisten europäischen Staaten den
Besitz
von
Kraftfahrzeugen.
In
Frankreich
unterliegen
seit
der
Abschaffung
der
jährlichen
Kraftfahrzeugsteuer für Privatperso-
nen im Jahr 2001 nur Firmen-PKWs
und
Fahrzeuge
mit
hohem
Schadstoffausstoß (seit 2008) einer
jährlichen
Steuer.
Bei
der
Fahrzeugzulassung werden dagegen
drei verschiedene Steuern erhoben.
Insgesamt erscheint das französische
System
komplexer,
und
das
Aufkommen dieser Steuern ist gerin-
ger.
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Wichtigste Befunde
33
Im vorliegenden Bericht wurden
anhand
des
Vergleichs
der
Steuersysteme in Deutschland und
Frankreich die potenziellen Entwic-
klungen für manche Steuern und
Abgaben aufgezeigt.
Außerdem lassen sich aus dem
von der Cour des comptes anges-
tellten Vergleich vier allgemeine
Orientierungen in Bezug auf die
Steuerpolitik insgesamt ableiten
:
.
Systematisches Überprüfen der
Rechtfertigung
für
die
einzelnen
Steuern, Abgaben und Beiträge, die
zusätzlich
zu
den
gesetzlichen
Sozialversicherungsbeiträgen
die
Produktionskosten der Unternehmen
belasten, mit besonderer Beachtung
der Abgaben auf Löhne und Gehälter;
.
Intensivierter
Abbau
der
„Steuer- und Sozialnischen“, wie von
der Cour des comptes und dem
Conseil des prélèvements obligatoires
in ihren jüngsten Berichten gefordert;
.
Erarbeiten einer mittelfristigen
Steuerstrategie, um allen Akteuren
einen absehbaren und ausreichend sta-
bilen Rahmen an die Hand zu geben;
.
Im Rahmen dieser mittelfristi-
gen Strategie, die notwendigerweise die
Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit
und den Defizitabbau zum Ziel haben
muss:
Progressive Umstellung von
einer
Finanzierung
öffentlicher
Maßnahmen durch Lohnabgaben ohne
direkten Bezug zu den Unternehmen
durch den Erwerbssektor zu einer uni-
versellen Finanzierung;
Mobilisieren der durch den
Abbau der „Steuer- und Sozialnischen“
erschlossenen
bzw.
im
Bereich
Verbrauchs-
und
Umweltsteuern
offengelegten Spielräume.
Analyse deren Auswirkungen
auf die Umverteilung und gegebenen-
falls Umsetzung von Begleitmaßnah-
men durch Umbau von Sozialleistun-
gen oder steuerliche Progressivität.
Außerdem lassen sich aus dem
von der Cour des comptes anges-
tellten Vergleich zwei Orientierun-
gen in Bezug auf die Fortsetzung
der deutsch-französischen Arbei-
ten :
.
Abschluss
der
technischen
Überlegungen zur Körperschaftsteuer
zusammen
mit
den
deutschen
Behörden, um schrittweise zu einer
Harmonisierung
der
Bemessungsgrundlage zu gelangen;
.
Einbeziehen der steuerpoliti-
schen
Orientierungen
in
die
Koordinierung der Wirtschaftspolitik
beider Länder, mit dem Deutsch-
Französischen
Wirtschafts-
und
Finanzrat als natürlicher Dreh- und
Angelpunkt.
Der angestellte Vergleich
hat schließlich die Richtigkeit diverser
Orientierungen bestätigt, die die Cour
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
Empfohlene Orientierungen
34
Empfohlene Orientierungen
35
Synthèse
des öffentlichen Themenberichts
des comptes bereits vorher geäußert
hatte, und die zum Ziel haben, eine
kohärentere Steuerung der Finanzen
des Staates, der Kommunen und der
Sozialversicherung zu bewirken.
Dies setzt die Festlegung einer
Gesamtstrategie voraus, die in
einem Finanzplanungsgesetz zum
Ausdruck kommen sollte:
Mit höherem Rang als die
Haushalts- und Sozialversicherungs-
Finanzierungsgesetze;
Das ein dauerhaftes Defizit der
Sozialsysteme mit juristischen Mitteln
unterbindet.