C
OUR DES
C
OMPTES
Die Kosten der
Kernenergie
Januar 2012
Hinweis
Zusammenfassung
des
Öffentlichen thematischen Berichts
D
iese Zusammenfassung soll die Lektüre und die
Arbeit mit dem Bericht des Cour des Comptes
erleichtern.
Bindend für den Cour des Comptes ist nur der Bericht.
Die Antworten der betroffenen Verwaltungen und
Einrichtungen sind Bestandteil des Berichts.
Inhalt
3
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
Einleitung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5
1
Produktionskosten
verteilt über einen sehr langen Zeitraum
. . . . . . . .
7
2
Mit staatlichen Krediten finanzierte Kosten
. . . . . .
19
3
Offene Fragen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Einleitung
5
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
M
it Schreiben vom 17. Mai 2011 beauftragte der Premierminister den Cour des
Comptes im Rahmen seiner Arbeit zur Unterstützung der Regierung
(Verfahren, das jetzt von Art. L.132-4-1 Finanzgerichtsgesetz geregelt ist) mit der
„Ermittlung der Kosten der Stromerzeugung aus Kernenergie”, wobei er präzisierte, dass
ihm dieser Bericht „bis zum 31. Januar 2012 vorliegen soll”.
In Erfüllung dieses Auftrags hat der Cour des Comptes die wichtigsten Fakten und
Elemente zusammengetragen, die derzeit über die vergangenen, gegenwärtigen und zukünf-
tigen Kosten der Produktion von Atomstrom in Frankreich vorhanden sind. Dieser
Bericht umfasst weder eine Stellungnahme über den wünschenswerten Umfang dieser
Produktion, noch über die Modalitäten ihrer Finanzierung. Er ist vielmehr eine
„Datenbank”, die allen Bürgern zwecks Transparenz und als Information zur Verfügung
steht.
Die Studie befasst sich im Wesentlichen mit den Produktionskosten der Betreiber des
derzeitigen Kraftwerksparks, unabhängig davon, ob es sich um (bereits geleistete)
Investitionen, laufende (Betriebs-)Kosten oder zukünftige Kosten (Rückbau und
Entsorgung der Brennelemente und Abfälle) handelt.
Ein Anliegen des Cour des Comptes war es, die Kosten „für die Gesellschaft” und
nicht nur für den Betreiber zu ermitteln. Er hat demzufolge ebenfalls versucht, die
Ausgaben zu ermitteln, die durch Kredite der öffentlichen Hand finanziert wurden und
die sich im Allgemeinen nicht im Energiepreis widerspiegeln, da man sie nicht genau kennt.
Damit wurde erstmalig versucht, alle französischen Forschungsaufwendungen auf dem
Gebiet der Stromerzeugung aus Kernenergie seit 1957 zu ermitteln. Darüber hinaus hat
der Cour des Comptes die Ausgaben für Sicherheit und Sicherung abgeschätzt, die 2010
mit öffentlichen Krediten finanziert wurden.
Folglich wurden Nuklearausgaben für militärische Zwecke und die Kosten für den
Transport und die Verteilung des Stroms nicht vom Cour des Comptes betrachtet, sondern
nur die Kosten für die Erzeugung von Atomstrom, die nur ca. 40 % des von den
Verbrauchern bezahlten Preises ausmachen.
Der Bericht vergleicht weder die Kosten der einzelnen Energiearten, noch thematisiert
er das Entwicklungsszenario des Energiemixes. Er vergleicht nicht die Kosten mit den
Preisen. Der Cour des Comptes beurteilt nicht die Qualität des Managements der entspre-
chenden staatlichen Kredite. Es handelt sich um keinen Evaluierungsbericht.
Zur ordnungsgemäßen Durchführung des Berichts hat der Cour des Comptes mit wei-
teren Partnern zusammengearbeitet: So wurde eine Expertengruppe gebildet, deren
Aufgabe darin bestand, den Cour des Comptes bei seiner Arbeit zu unterstützen, es wur-
den Verantwortliche aus der Branche gehört, aber auch die Gewerkschaften und
Umweltschutz-NGOs, und es wurden unsere Botschaften in den wichtigsten
„Atomstromländern” in Form schriftlicher Befragungen einbezogen .
7
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
Cour des Comptes
1
Produktionskosten verteilt
über einen sehr langen
Zeitraum
Die Produktion von Atomstrom ist
eine kapitalintensive Tätigkeit, deren
Kosten sich über einen langen Zeitraum
verteilen. Um heute die gesamten
Produktionskosten
des
derzeitigen
Kraftwerksparks aus der Sicht des
Betreibers zu berechnen, sind also die
Kosten aus der Vergangenheit, die sich
auf die Investitionen beziehen, die
gegenwärtigen
Kosten,
d.
h.
die
Betriebskosten, und die zukünftigen
Kosten,
die
sowohl
Investitionen
(Rückbau
der
Anlagen)
und
Betriebskosten (Entsorgung der abge-
brannten
Brennelemente
und
der
Abfälle) sind, zu addieren.
Im Allgemeinen wurde davon aus-
gegangen, dass die Kosten von AREVA
(Investitionen und Betriebskosten, inkl.
der zukünftigen Kosten) für den Teil der
Geschäftstätigkeit von AREVA, der die
Produktion
von
französischem
Atomstrom betrifft, in den von EDF
gezahlten Brennstoffkosten integriert
sind.
Demzufolge
wurden
die
Berechnungen ausschließlich auf der
Basis der EDF-Zahlen vorgenommen,
um eine doppelte Berücksichtigung der-
selben Kosten zu vermeiden.
Relativ gut
bekannte Kosten
der Vergangenheit
Erhebliche
Erstinvestitionen
Die Gesamtkosten für den Bau der
für die Produktion von Atomstrom not-
wendigen Anlagen belaufen sich auf
121 Mrd. €
2010
(ohne „Superphénix”),
wovon im engeren Sinn 96 Mrd. €
2010
auf die Konstruktion der 58 vorhande-
nen Reaktoren entfallen. Dieser Betrag
umfasst „Overnight
(2)
”-Kosten in Höhe
von 83 Mrd. €
2010
, die Investitionen
entsprechen, die im Wesentlichen in den
Jahren 1973 bis 2002 realisiert wurden,
zzgl. Bauzinsen, da sich die Errichtung
von Kernkraftwerken über mehrere
Jahre erstreckt und die vom Cour des
Comptes auf 13 Mrd. €
2010
veran-
schlagt wurden.
Diese 58 Reaktoren entsprechen
einer
installierten
Leistung
von
62.510 MW.
_
__________
(2) Als „Overnightkosten” wird die Summe aus Baukosten bei der Errichtung (72,9 Mrd. € 2010),
Planungskosten (6,9 Mrd. € 2010) und Kosten vor Betriebsbeginn (3,4 Mrd. €
2010
) bezeichnet.
Produktionskosten verteilt über
einen sehr langen Zeitraum
8
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des Cour des Comptes
Im Laufe der Zeit
gestiegene Baukosten je
Megawatt (MW)
Die
Bau-
und
Planungskosten
(79.751 Mio. €
2010
), heruntergerechnet
auf die Reaktorleistung, stiegen mit der
Zeit von 1,07Mio. €
2010
/MW im Jahr
1978 (Fessenheim) auf 2,06 Mio. €
2010
im Jahr 2000 (Chooz 1 und 2) bzw. auf
1,37 Mio. €
2010
im Jahr 2002 (Civaux)
bei einem Durchschnitt von 1,25 Mio.
€
2010/
MW
für die 58 Reaktoren. Diese
Erhöhung steht vor allem mit den
immer höheren Sicherheitsanforderun-
gen im Zusammenhang.
Auch wenn ein genauer Vergleich
nicht möglich ist, da die abschließenden
Gesamtkosten eines EPR unbekannt
sind, konnte der Cour des Comptes fest-
stellen, dass die Baukosten im Verhältnis
zur Leistung in MW mit dieser neuen
Generation, die von Anfang an umfang-
reiche
Sicherheitsauflagen
erfüllen
musste, weiter gestiegen sind. Bei
geschätzten Baukosten von 6 Mrd. € für
den EPR Flamanville (erster Reaktor der
Baureihe) und einer Leistung von 1.630
MW betragen die Kosten pro MW 3,7
Mio. €; wobei bei Kosten der Baureihe
von schätzungsweise 5 Mrd. € und ihre
Kosten pro MW 3,1 Mio. € betragen.
Gut bekannte
laufende
Betriebskosten
Die jährlichen Betriebskosten von
EDF betrugen bei einer Produktion von
407,9 TWh in 2010 8,9 Mrd. €
2010
.
Diese Kosten sind gut bekannt, ihre
Bezifferung stellt kein besonderes
Problem dar.
Betriebskosten in € (nominal)
In Mio. € 2010
Entwicklung
2008-2010
Kernbrennstoff
2 135
+ 5 %
Personalkosten
2 676
+ 5 %
Bezogene Vorleistungen
2 095
+ 19 %
Steuern und Abgaben
1 176
+ 15 %
Zentrale Aufgaben
872
+ 30 %
Betriebskosten insgesamt
8 954
+ 11 %
Quelle: Cour des Comptes
Produktionskosten verteilt über
einen sehr langen Zeitraum
9
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
Die Betriebskosten beliefen sich
2010 auf 22 €/MWh. Von 2008 bis
2010 stiegen sie um 11 % (in € nominal),
was
im
Wesentlichen
auf
die
Aufstockung der Instandhaltungsmittel
und gestiegene Steuern und Abgaben
zurückzuführen ist.
Für die Folgejahre ist vor allem auf-
grund der Umsetzung der Maßnahmen
der Behörde für Reaktorsicherheit nach
dem Unfall von Fukushima und der not-
wendigen
Vorbereitungen
zur
Personalerneuerung bei Aufrechterhal-
tung der Kompetenzen der Betreiber
eine Erhöhung der Personalkosten vor-
hersehbar
(vor
allem
durch
die
Schaffung einer schnellen nuklearen
Einsatztruppe).
Aufgrund ihrer Art
ungewisse zukünfti-
ge Aufwendungen
Rückbaukosten, deren
Höhe aufgrund fehlender,
gut vergleichbarer natio-
naler bzw. internationaler
Erfahrungen weitgehend
unbekannt ist
Die Kosten für den Rückbau der 58
Reaktoren des derzeitigen Parks, d. h.
die
am
Ende
der
Laufzeit
der
Kraftwerke zu tätigenden Aufwendun-
gen, werden heute auf 18,4 Mrd. €
2010
brutto veranschlagt.
Die Bezifferung der Rückbaukosten
beruht
auf
einer
historischen
Pauschalmethode, deren Ergebnisse
durch wesentlich präzisere Methoden
erhärtet wurden, wobei die technischen
Parameter
von
betriebsfremden
Experten zu bestätigen wären.
Die derzeitigen Zahlen sind mit
Vorsicht
zu
genießen,
da
die
Erfahrungen auf diesem Gebiet sowohl
von
EDF
(Kraftwerke
der
1.
Generation) als auch des CEA oder von
AREVA
gezeigt
haben,
dass
die
geschätzten Kosten im Allgemeinen
nicht ausreichen, wenn die Maßnahmen
konkret werden, zumal im internationa-
len Vergleich Ergebnisse vorherrschen,
die
im
Allgemeinen
über
den
Annahmen von EDF liegen. Allerdings
zeigen die breit gefächerten Ergebnisse
auch dieser internationalen Vergleiche,
dass auf diesem Gebiet weitgehend
Unklarheit herrscht.
Vor diesem Hintergrund gibt der
Cour des Comptes in Bezug auf die
Rückbaukosten zwei Empfehlungen:
Der Cour des Comptes empfiehlt
EDF die Anwendung der Dampierre-
Methode 2009 als Basis für die
Bestimmung der Rückstellungen für den
Rückbau
anstelle
der
historischen
Methode,
mit
der
die
weitere
Entwicklung
dieser
Rückstellungen
nicht genau genug begleitet werden
kann.
Der Cour des Comptes unter-
streicht die Notwendigkeit der schnellen
Durchführung von technischen Audits
durch externe Büros und Experten, wie
von der Generaldirektion für Energie
und Klima (DGEC) vorgesehen, um die
technischen Parameter der Dampierre-
Methode 2009 zu bestätigen.
Produktionskosten verteilt über
einen sehr langen Zeitraum
10
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des Cour des Comptes
Kosten für die langfristige
Entsorgung radioaktiver
Abfälle, deren Schätzung
noch nicht konsolidiert ist
Die Bruttokosten, die auf die lang-
fristige Entsorgung radioaktiver Abfälle
aus der Atomstromproduktion entfal-
len, belaufen sich derzeit für EDF auf
23 Mrd. €, sind aber noch nicht konsoli-
diert. Für den Anteil, der auf die
Entsorgung langlebiger hoch- bzw. mit-
telaktiver Abfälle entfällt, wurden sie seit
2005
auf
der
Basis
einer
Kostenschätzung (16,5 Mrd. €
2010
) für
das
Projekt
einer
geologischen
Tiefenlagerung ermittelt, das von der
ANDRA erarbeitet und in 2009 über-
prüft und weiterentwickelt wurde. Die
neuen Zahlen (36 Mrd. €
2010
) stellen
eine Verdoppelung der ursprünglichen
Kostenschätzung dar und werden von
den Erzeugern angezweifelt. Die offi-
zielle Schätzung muss bis 2015 durch
Ministerialerlass festgestellt werden, auf
dessen Grundlage EDF, AREVA und
das CEA ihre Rückstellungen eventuell
überprüfen müssen.
Da es derzeit niemanden gibt, der in
der Lage wäre, die Mengen abgebrann-
ten MOX und ERU (angereichertes wie-
deraufgearbeitetes Uran) zu recyceln,
die die Kraftwerke produzieren, berech-
net EDF die Rückstellungen für die
langfristige
Entsorgung
dieser
Materialen so, als ob es sich um Abfälle
für eine geologische Tiefenlagerung
handeln würde und damit ebenso wie
für langlebige hoch- und mittelaktive
Abfälle
(HLW
bzw.
ILW).
Diese
Methode ist mit den Regeln buchhalteri-
scher Vorsicht kompatibel, verlangt
aber, die Rückstellung richtig zu „kali-
brieren”, was derzeit nicht sichergestellt
ist. Neben der Bezifferung wäre es bes-
ser, wenn diese Hypothese gründlich
untersucht und langfristig eventuell auch
für den Fall weiterentwickelt werden
würde, dass das Programm der 4.
Generation auf Schwierigkeiten trifft.
Vor diesem Hintergrund gibt der
Cour des Comptes für die langfristi-
ge Entsorgung von Abfällen zwei
Empfehlungen:
Der Cour des Comptes empfiehlt
eine schnelle Erarbeitung einer mög-
lichst
realistischen
neuen
Kostenschätzung für die geologische
Tiefenlagerung unter Berücksichtigung
der Beschlüsse des ASN als einzige
Behörde, die für das Sicherheitsniveau
dieses Lagers zuständig ist.
Der Cour des Comptes empfiehlt,
im
Rahmen
dieser
neuen
Kostenschätzung die Kosten für eine
eventuelle direkte Lagerung von MOX
und ERU, die jedes Jahr anfallen, zu
beziffern, wobei diese Hypothese bei
zukünftigen Arbeiten, die sich auf die
Größe des geologischen Tiefenlagers
beziehen, zu berücksichtigen wäre.
Steigende Instandhal-
tungsinvestitionen
Die
Instandhaltungsinvestitionen
zielen sowohl auf die Gewährleistung
einer störungsfreien Stromproduktion
der Reaktoren als auch auf die schritt-
weise Verbesserung ihrer Sicherheit und
Sicherung
sowie
eine
eventuelle
Laufzeitverlängerung der Kraftwerke
ab.
Produktionskosten verteilt über
einen sehr langen Zeitraum
11
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
Die
Verlangsamung
dieser
Investitionen in den 2000er Jahren
machte deren Bedeutung deutlich, da
dadurch der Verfügbarkeitskoeffizient
des Parks und damit seine Produktion
signifikant abnahmen. Darüber hinaus
wird die Notwendigkeit, die Sicherheit
des Kraftwerksparks zu verbessern,
durch den auf diesem Gebiet mit dem
EPR erreichten Stand und die Lehren
aus dem Störfall von Fukushima im
März 2011 unterstrichen.
Das
Instandhaltungsinvestitions-
programm von EDF für die Jahre 2011–
2025, das im Jahr 2010 erarbeitet wor-
den war, beläuft sich auf 50 Mrd. €, was
einem Jahresdurchschnitt von ca. 3,3
Mrd. € entspricht und damit fast dem
Doppelten
der
2010
realisierten
Investitionen (1,7 Mrd. €), die bereits
eine Erhöhung im Vergleich zu den
Vorjahren darstellten. Die Investitionen,
die getätigt werden müssen, um die
Anforderungen der ASN vor dem
Hintergrund
der
Stresstests
nach
Fukushima zu erfüllen, werden heute
auf ca. 10 Mrd. geschätzt, von denen die
Hälfte
bereits
im
vorliegenden
50-Mrd.-€-Programm enthalten ist. Die
durchschnittliche jährliche Instandhal-
tungsinvestitionssumme dürfte sich
demzufolge bei einem Programm, das
ca. 55 Mrd. €
2010
umfasst und von 2011
bis 2025 umzusetzen ist, auf 3,7 Mrd. €
belaufen.
In Mrd. € 2010
Jährlicher Betrag
Durchschnitt 2008-2010
1,5 Mrd. €
In 2010
1,75 Mrd. €
Durchschnitt bei einem Programm von 55 Mrd. € bis
2025, inkl. Auswirkungen von Fukushima
3,7 Mrd. €
Investitionen und Instandhaltung
Quelle: Cour des Comptes
Produktionskosten verteilt über
einen sehr langen Zeitraum
12
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des Cour des Comptes
Allgemein steigende
Produktionskosten
Sehr signifikante
Kapitalkosten, die je nach
Aufgabe Gegenstand
verschiedener Schätzungen
sein können
Die Atomstromproduktion ist eine
sehr kapitalintensive Industrie. Hier sind
die Kapitalkosten eine Variable, die einen
sehr signifikanten Einfluss auf die
Berechnung der Gesamtkosten haben.
Aufgrund fehlender Informationen
und eines speziellen Finanzierungs-
modus
bei
EDF
kann
die
Finanzierungsgeschichte
der
Kern-
energieinvestitionen
nicht
präzise
rekonstruiert werden. Darüber hinaus ist
der ökonomische Wert des derzeitigen
Kraftwerksparks nicht bestimmbar, da es
keinen ausreichend liquiden Markt für
gebrauchte Kraftwerke gibt, auf dessen
Grundlage
der
Marktwert
des
historischen EDF-Parks bestimmbar
wäre.
Börsenkurse
sind
ebenfalls
ungeeignet, da die Kraftwerksparks
strukturell diversifiziert sind und es
keinen
börsennotierten
Nur-
Kernkraftwerksbetreiber
gibt.
Eine
Herangehensweise
auf
der
Basis
aktualisierter Liquiditätsflüsse würde mit
der hohen Unsicherheit kollidieren, die
auf
den
zukünftigen
Stromabgabepreisen und der Restlaufzeit
des historischen Parks lastet. Folglich
müssen
zur
Berechnung
der
Kapitalkosten andere Regeln gefunden
werden.
Auch können die Methode der
Berechung der Kapitalkosten und ihr
Anteil
an
den
Gesamt-
Produktionskosten
nach
mehreren
Methoden berechnet werden, wobei
mehrere Parametern in Abhängigkeit
davon,
was
man
messen
möchte,
variieren können, also u. a. von der Höhe
des Kapitals, dessen Kosten man
berechnen
möchte,
und
von
der
Chronologie dieser Kosten (jährlich
konstante oder degressive Kosten). Als
Methoden kämen infrage:
- d
er Istkostenrechnungsansatz für ein
bestimmtes Jahr:
Bei dieser Berechnung
sind die Abschreibungen die einzige
Messlatte für die Ermittlung des Anteils
der Investitionen und des Kapitals an
den Kosten der Atomstromproduktion.
Allerdings werden bei dieser Methode die
Kosten des Kapitals, d. h. seine
Verzinsung,
nicht
berücksichtigt.
Darüber hinaus wird auf der Grundlage
der Abschreibungen insgesamt am Ende
des Zeitraums das in den Park investierte
Kapital nur zu seinem Ausgangswert
ermittelt, ohne Berücksichtigung der
Inflation
sowie
der
gestiegenen
Anforderungen
an
Technik
und
Sicherheit der Kernreaktoren.
-
die
Methode
der
Champsaur-
Kommission:
Sie zielt darauf ab, die
Produktionskosten
des
derzeitigen
französischen Parks für die nächsten 15
Jahre
unter
Berücksichtigung
der
Tatsache zu berechnen, dass sich dieser
Park im Jahr 2010 bereits zu 75 %
amortisiert hatte, wobei er zu diesem
Zeitpunkt bei einer Abschreibungsdauer
von 40 Jahren ein Durchschnittsalter von
25 Jahren aufwies. Mit der Champsaur-
Methode wird also unter Berück-
Produktionskosten verteilt über
einen sehr langen Zeitraum
13
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
sichtigung der Historie des Parks, vor
allem seiner Finanzierungsbedingungen
und
der
Abschreibungen
in
der
Vergangenheit, zu einem bestimmten
Zeitpunkt ein Tarif ermittelt, wogegen
die Kostenmiete, bei der man davon
ausgeht, dass sie Auskunft über die
Kapitalkosten gibt, durch Anwendung
einer
Kapitalverzinsung
auf
den
buchhalterischen Nettowert des Parks
zum Zeitpunkt der Berechnung (im
vorliegenden Fall 2010) berechnet wird.
- d
er Miet- und Wiederbeschaffungskosten-
Ansatz (CCE):
Mit dem CCE können die
allgemeinen
durchschnittlichen
Produktionskosten
des
Kernkraft-
werksparks über dessen Gesamtlaufzeit
für den Betreiber berechnet werden.
Dieser Wert ist vor allem für einen
Vergleich der Produktionskosten der
verschiedenen
Energieformen
von
Nutzen. Die Kosten der Verzinsung und
für
die
Wiederbeschaffung
des
investierten Kapitals werden hier anhand
einer
Kostenmiete
mit
konstanten
jährlichen Raten über die gesamte
Laufzeit des Parks gemessen. Diese
Miete wird so berechnet, dass dem
Investor sein Investment am Ende seiner
Laufzeit in Höhe des neubewerteten
Werts erstattet und bezahlt werden kann.
Diese
Methode,
die
historischen
Finanzierungsbedingungen
der
Errichtung des Parks nicht berücksichtigt
vermittelt eine Vorstellung darüber, was
dessen identischer Nachbau heute kosten
würde.
Sowohl beim CCE als auch bei der
Methode der Champsaur-Kommission
hängen
die
Ergebnisse
von
der
gewählten Kapitalverzinsung ab, wobei
die
Laufzeit
des
Parks
auf
den
berechneten
Betrag
relativ
wenig
Einfluss hat.
Diese
verschiedenen
Methoden
beantworten also nicht dieselbe Frage, so
dass man sehr gut aufpassen muss, wenn
man
die
Produktionskosten
ver-
schiedener Energien vergleicht, dass
diesem Vergleich dieselben Berechnungs-
methoden zugrunde liegen.
Kosten, die in Abhängigkeit
von den verschiedenen
Berechnungsmethoden
erheblich voneinander
abweichen
Auch wenn bei den verschiedenen
Methoden zur Berechnung der Atoms-
tromproduktionskosten die Investitionen
und Kapitalkosten verschieden gewichtet
werden, so berücksichtigen sie doch alle
die
verschiedenen
Kostenarten
(vergangene, gegenwärtige, zukünftige),
die ein Betreiber hat, wobei für die
zukünftigen Kosten für den Rückbau, für
die Entsorgung abgebrannter Brenn-
elemente
und
für
die
langfristige
Abfallentsorgung
ein
Nominal-
Abzinsungssatz von 5 % angenommen
wurde (2,94 % Realzins, ohne Inflation).
Die Berechnungen, die auf der Basis
einer Laufzeit der 58 Reaktoren des
derzeitigen Parks von 40 Jahren und des
Betrags, der 2010 für Abschreibungen
und
durchgeführte
Instand-
haltungsinvestitionen zu berücksichtigen
ist, durchgeführt wurden, weisen für das
Jahr 2010, in dem die Produktion 407,9
TWh betrug, folgende Ergebnisse aus:
Produktionskosten verteilt über
einen sehr langen Zeitraum
14
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des Cour des Comptes
Bei verschiedenen internationalen
Vergleichen, z. B. der Kernenergie-
Agentur der OECD, werden heute
weder diese Produktionskosten berech-
net, noch mit den Kosten anderer
Energien verglichen, wie das bei den
Referenzkosten der Generaldirektion
für Energie und Klima (DGEC) der Fall
ist. In diesen beiden Fällen werden die
Kosten - wobei die Kapitalkosten auch
noch mit anderen Methoden berechnet
werden könnten - für einen Investor
berechnet,
der
heute
mit
neuen
Kraftwerken, konkret mit EPR für
Frankreich, in den Markt eintreten
würde. Eine derartige Schätzung, die die
fiktiven Kosten eines fiktiven Parks
simuliert, ist sehr theoretisch. Dem
Cour des Comptes sind derzeit nur
geschätzte
Baukosten
des
EPR
Flamanville in Höhe von 6 Mrd. €
bekannt, die zu Produktionskosten von
mindestens 70 bis 90 €/MWh führen
würden, die er aber solange nicht bestä-
tigen kann, wie der Bau noch nicht
abgeschlossen ist, zumal es sich hier
auch nicht um die Kosten eines „serien-
mäßigen” EPR handelt. Aus diesem
Grund kann der Cour des Comptes zum
derzeitigen
Zeitpunkt
noch
keine
Berechnung der Produktionskosten
eines
EPR-Parks
vorlegen
und
bestätigen.
Ergebnisse der verschiedenen Kostenschätzungen für eine
MWh in 2010 in Abhängigkeit von der Aufgabenstellung
In €
2010
- Kosten lt. Istkostenrechnungsansatz unter Berücksichtigung
der Abschreibungen des Parks, aber nicht der Kapitalverzinsung
33,4 €/MWh
- Kosten lt. Methode der Champsaur-Kommission unter
Berücksichtigung der Abschreibung des Parks und der
Verzinsung des nicht amortisierten Kapitals (Aufgabe:
Berechnung eines Tarifs)
33,1 €/MWh
- Kosten lt. M
iet- und Wiederbeschaffungskosten-Ansatz (CCE) ohne
Berücksichtigung der Abschreibung des Parks, bei Verzinsung des
ursprünglich investierten Kapitals und inflationsbereinigt (Au
fgabe:
durchschnitliche Produktionskosten ohne historischen Bezug)
49,5 €/MWh
Quelle: Cour des Comptes
Produktionskosten verteilt über
einen sehr langen Zeitraum
15
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
Ergebnisse, die von der
Entwicklung zukünftiger
Aufwendungsrückstellungen
kaum beeinflusst werden
Die zukünftigen Aufwendungen für
den Rückbau und die langfristige
Abfallentsorgung, die erst in mehreren
Jahrzehnten, ja sogar Jahrhunderten für
die Überwachung der Abfalllagerstätten
anfallen, wurden auf der Basis von
Hypothesen und mit oft erheblichen
Unsicherheiten berechnet. Aus diesem
Grund ist es also wichtig, die Sensibilität
der
Produktionskosten
insgesamt
gegenüber den Kostenfaktoren zu
berechnen, deren Entwicklung am unsi-
chersten ist.
Auf der Basis der verfügbaren buch-
halterischen
Daten
wurden
Simulationen zu den Bedingungen von
2010 und gemäß den Berechnungen des
Cour des Comptes nach der CCE-
Methode
durchgeführt,
d.
h.
für
Gesamtkosten von 20 Mrd. € für eine
Produktion von 407,9 TWh: Diese spie-
geln nur die Auswirkungen auf die
Produktionskosten wider.
Sensibilität gegenüber Schwankungen des
Abzinsungssatzes
Unter
Berücksichtigung
der
Tatsache, dass die Auszahlung der
Bruttoaufwendungen erst in ferner
Zukunft stattfindet, sind die Daten zu
aktualisieren, um in die Berechnungen
von heute einfließen zu können. Dieser
Berechnung wird unter Anwendung
eines Abzinsungssatzes von 5 % bei
Einschluss einer Inflationsrate von 2 %
(tatsächliche Rate 2,94 %) vorgenom-
men, wodurch sich der berechnete
Betrag allgemein um 48 % reduziert, so
dass der Gesamtbetrag der Bruttoauf-
wendungen für alle Betreiber von 79
Mrd.
€
2010
auf
38
Mrd.
€
Rückstellungen
zu
korrigieren
ist.
Dieser Abzinsungssatz entspricht etwa
dem, der auch im Ausland angewendet
wird.
Gegenüberstellung Bruttokosten/Rückstellungen
Quelle: Cour des Comptes
In Mio. € 2010
EDF
AREVA
CEA
Insgesamt
Bruttokosten
62,1
10,5
6,8
79,4
Rückstellungen
28,3
5,6
4,5
38,4
Rückstellungen/
Bruttokosten
46 %
54 %
66 %
48 %
Produktionskosten verteilt über
einen sehr langen Zeitraum
16
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des Cour des Comptes
Eine Senkung dieses Satzes um 1 %,
wodurch er von 5 % auf 4 % korrigiert
werden würde, würde zu einer Erhöhung
der Rückstellungen von EDF um 21 %
(+6 Mrd. € im Verhältnis zu den derzeiti-
gen 28,3 Mrd. €) führen; die jährlichen
Produktionskosten
für
Atomstrom,
berechnet nach der CCE-Methode, wür-
den um +162 Mio. €/Jahr steigen, d. h. um
+0,8 %.
Umgekehrt würden die jährlichen
Kosten um –131 Mio. €/Jahr, d. h. -0,6 %,
sinken, wenn der Abzinsungssatz steigen
und auf 6 % korrigiert werden würde.
Sensibilität gegenüber schwankenden
Aufwendungen am Ende des Kreislaufs
Was die Aufwendungen am Ende des
Kreislaufs betrifft, so scheinen die
Rückstellungen für die Entsorgung abge-
brannter
Brennelemente
zutreffend
berechnet zu sein, wogegen die Angaben
für die Abfallentsorgung einer schnellen
Überprüfung unterzogen werden müssten.
Da die Kostenschätzung der ANDRA
etwas mehr als das Doppelte dessen aus-
weist, was heute als Basis für die
Berechnung der Rückstellungen dient,
wäre es interessant zu ermitteln, was eine
Verdoppelung dieser Rückstellung ergeben
würde, deren Aufstockung sich auch aus
einer genaueren Berechnung der Folgen
der Lagerung von abgebrannten MOX
und ERU ergeben müsste.
Auf der Basis einer vereinfachten
Simulation und unter Zugrundelegung der
letzten hypothetischen Kostenschätzung
der ANDRA würden die jährlichen
Produktionskosten für Atomstrom, auf
der Basis der Berechnung
der Kosten lt.
Miet- und Wiederbeschaffungskosten-
Ansatz, um 200 Mio. € steigen, was einer
Erhöhung der Kosten je MWh um 1 %
entspräche.
Sensibilität gegenüber Kostenschwankungen für
den Rückbau
Die
Rückbaukosten
von
EDF,
AREVA und des CEA sind Gegenstand
regelmäßiger Berechnungen und Überprü-
fungen, die einerseits zeigen, dass sich die
geschätzten Kosten trotz verbesserter
Methoden mit der Zeit im Allgemeinen
erhöhen, da dieses Thema neu ist und es
an Erfahrungsrücklauf auf diesem Gebiet
fehlt. Auf der anderen Seite werden diese
Erhöhungen in regelmäßigen Abständen
in die Berechnungen der Betreiber inte-
griert, so dass sich das Risiko signifikanter
Ausrutscher reduziert.
Vereinfachte Simulationen, die auf der
Basis des Miet- und Wiederbeschaffungs-
kosten-Ansatzes mit einem gleichbleiben-
den Abzinsungssatz (5 %) durchgeführt
wurden, zeigen, dass sich die jährlichen
Produktionskosten um 505 Mio. erhöhen
würden, wenn die geschätzten Kosten für
den Rückbau um 50 % steigen. Allerdings
würden sich dadurch die Produktionsko-
sten für eine MWh lediglich um 2,5 %
erhöhen.
Dieses
Sensibilitätstests,
die
die
Auswirkungen der Schwankungen ver-
schiedener Parameter betrachten, die sich
auf zukünftige Aufwendungen beziehen,
zeigen, dass sie bei einer Laufzeit des Parks
von 40 Jahren, für die sie auch berechnet
wurden, Auswirkungen auf die jährlichen
Produktionskosten
für
Strom
aus
Kernenergie haben, die, wenn auch nicht
vollkommen
vernachlässigbar,
relativ
gering sind.
Produktionskosten verteilt über
einen sehr langen Zeitraum
17
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
Die Entwicklung der
Instandhaltungsinvesti-
tionen hat signifikante
Auswirkungen
Es wurde festgestellt, dass sich die
zukünftigen Aufwendungen, die mit
dem Rückbau und dem Abfallmanage-
ment verbunden sind, nur begrenzt aus-
wirken. Dem gegenüber haben die
Instandhaltungsinvestitionen eine deut-
lich höhere Signifikanz.
Für
die
vorausgehenden
Berechnungen wurde der Betrag der
Instandhaltungsinvestitionen von 2010
(1.747 Mio. €) herangezogen. Für den
Zeitraum von 2011 – 2025 hat EDF
Investitionen in Höhe von ca. 55 Mrd. €
geplant. Diese Zahl umfasst auch die
Investitionen
für
zusätzliche
Sicherheitsmaßnahmen nach den ASN-
Stresstests, wobei der jährliche Betrag,
der insgesamt für Investitionen vorgese-
hen ist, in den nächsten Jahren
3,7 Mrd.€ beträgt.
Diese
Entwicklung
der
Investitionskosten schlägt sich auf die
Produktionskosten je MWh je nach
Berechnungsmethode in Höhe von 10
bis 15 % nieder. Sie ist in allen Fällen
signifikant.
Auswirkungen des Investitionsprogramms von 55 Mrd. € bis 2025
auf die Kosten je MWh
Instandhaltungsinvestitionen
Istkosten-
rechnungs-
ansatz
Champsaur-
Methode
Miet- und
Wiederbeschaf-
fungskosten-
Ansatz
Wert 2010
1.747 Mio. €
33,4
33,1
49,5
Durchschnittswert des 55 Mrd.-€-
Programms
3,7 Mrd. €
38,2
37,9
54,2
Schwankung in %
+ 14,5 %
+ 14,5 %
+ 9,5 %
Quelle: Cour des Comptes
Produktionskosten verteilt über
einen sehr langen Zeitraum
18
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des Cour des Comptes
Beeinflussung der
Rentabilität der
Kraftwerke durch
Laufzeitverlängerung
Welche
Auswirkungen
die
Laufzeitverlängerung der Kraftwerke
hat,
kann
mit
den
vorgenannten
Methoden der Sensibilitätsberechnung
nicht festgestellt werden, wobei der
Istkostenrechnungsansatz
eine
Ausnahme bildet. Bei den zwei anderen
Methoden wird diese Dauer rechnerisch
nicht berücksichtigt, sondern nur der
ursprüngliche Investitionsbetrag.
Wenn man hingegen von der
Hypothese ausgeht, dass die berechne-
ten Kosten durch Einnahmen (Preise,
Tarife u. a.) gedeckt werden, wird klar,
dass mit zunehmender Laufzeit des
Kraftwerksparks
die
durch
die
Ausgangsinvestition
generierten
Einnahmen zunehmen und damit die
Rentabilität für den Eigentümer steigt.
Darüber hinaus würde durch eine
Laufzeitverlängerung der Kraftwerke
der Moment in die Zukunft werden, an
dem die - zukünftigen - Aufwendungen
für den Rückbau anfallen, so dass weni-
ger Rückstellungen gebildet werden
müssen. Desweiteren würden kostenin-
tensive Ersatzinvestitionen in den Park,
die für die neuen Kraftwerksgeneratio-
nen höher sind als für die alten, auf
einen späteren Zeitpunkt verschoben.
19
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
Cour des Comptes
2
Mit staatlichen Krediten
finanzierte Ausgaben
Bei der Berechnung der Kosten der
Atomstromproduktion
„für
die
Gesellschaft” sind die Aufwendungen in
die Kosten des Betreibers einzurechnen,
die mit Krediten der öffentlichen Hand
finanziert wurden. Die zwei großen
Ausgabenposten, die mit staatlichen
Krediten finanziert wurden, sind die
Forschung und Maßnahmen für Sicherheit,
Zuverlässigkeit und Transparenz der
Information. Die Zahlen, die zu diesen
Themen vom Cour des Comptes zusam-
mengetragen wurden,
erlauben
fünf
Feststellungen.
Im Jahr 2010 waren die lau-
fenden Aufwendungen für
staatliche Kredite begrenzt
und bewegten
sich in der
Größenordnung der Steuer
auf kerntechnische Anlagen
2010 betrugen die Aufwendungen, die
mit staatlichen Krediten finanziert wurden,
ca. 644 Mio. € (414 Mio. € für öffentliche
Forschung
und
230
Mio.
€
für
Sicherheit/Zuverlässigkeit/Transparenz).
Die Analyse des Cour des Comptes
beschränkte sich auf die Bestimmung die-
ser Kosten. Ein Urteil darüber, ob diese
Kredite ausreichend waren oder ob sie effi-
zient eingesetzt wurden, ist damit nicht
verbunden.
Diese Ausgaben stellen lediglich 5 bis
6 % der jährlichen Betriebskosten dar (inkl.
Rückstellungen
für
abgebrannte
Brennelemente und Abfälle).
Ihre Höhe entspricht ungefähr den
Steuern, die auf kerntechnische Anlagen
(INB) zu zahlen sind. Hierbei handelt es
sich um eine Sondersteuer, die von den
Betreibern gezahlt wird (580 Mio. € in
2010) und von der angenommen werden
kann, dass sie dazu bestimmt ist, die mit ihr
verbundenen öffentlichen Forschungsauf-
wendungen zu decken, auch wenn diese
INB-Steuer und die Gebühren,die ihr vor-
ausgingen,
ursprünglich
nur
zur
Finanzierung der Ausgaben für Sicherheit
und Sicherung gedacht waren.
Die Entwicklung der
Kernenergie basiert auf
hohen Investitionen in die
Forschung, die hauptsäch-
lich mit staatlichen Krediten
finanziert wurde
Die Untersuchung der Entwicklung
der Forschung seit Mitte der 50er Jahre bis
heute, die vom Cour des Comptes aus
Anlass dieses Berichts durchgeführt wurde,
zeigt, dass sich die Gesamtausgaben für
Forschung im Bereich Atomstrom auf ca.
55 Mrd. €
2010
belaufen, was ca. 1 Mrd.
€
2010
pro Jahr entspricht.
Diese Kosten wurden in Höhe von 38
Mrd. €
2010
(690 Mio. €
2010
pro Jahr im
Durchschnitt) durch staatliche Kredite
finanziert, was einem Anteil von 70 % ent-
spricht, der damit deutlich höher liegt als
der für 2010 festgestellte Anteil und im
Allgemeinen höher als in den letzten zehn
Jahren, in denen er nur ca. 40 % betrug.
Mit staatlichen Krediten
finanzierte Ausgaben
20
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des Cour des Comptes
Dem gegenüber war es nicht möglich,
die Ausgaben in der Vergangenheit für
Sicherheit, Sicherung und Transparenz zu
beziffern, wobei es wahrscheinlich ist, dass
diese Ausgaben, umgekehrt zu den mit
Staatskrediten
finanzierten
F&E-
Ausgaben, mit der Schaffung und zuneh-
menden Stärkung solcher Einrichtungen
wie der ASN und des IRSN, die das Gros
dieser Kosten repräsentieren, im Laufe der
Zeit leicht gestiegen s
ind.
Aber auch ohne diese Informationen
kann davon ausgegangen werden, dass die
in 2010 relativ deckungsgleichen Summen,
die auf Steuereinnahmen auf kerntechni-
sche Anlagen und auf Ausgaben, die durch
Kredite der öffentlichen Hand finanziert
wurden, entfallen, eine neue Situation dar-
stellen, die Ergebnis von zwei gegenläufi-
gen Bewegungen ist: der schrittweise sin-
kenden kreditfinanzierten (öffentlichen)
Forschungsausgaben und der deutlich
höheren Steuereinnahmen
, die von 2000
bis 2010 um das 4,6fache stiegen (in Euro
nominal).
Der Vergleich (in Euro nominal) der
realen
Steuereinnahmen
im
letzten
Jahrzehnt, d. h. von 2000 bis 2010, in Höhe
von 3,3 Mrd. € mit dem Betrag, der im sel-
ben Zeitraum für öffentlich finanzierte
Forschungen aufgewendet wurde und der
sich auf 5,5 Mrd. € belief, zeigt, dass die
Situation vor 2010 sehr viel unausgewoge-
ner war.
Der Staat muss die
Rückstelungen des CEA
finanzieren
Die zukünftigen Kosten des CEA
beliefen sich Ende 2010 auf 6,8 Mrd.
€
2010
, was 4,5 Mrd. €
2010
Rückstellungen
nach Abzinsung entspricht, wovon 2,9
Mrd. € auf den Rückbau, 1,2 Mrd. € auf die
langfristige Abfallentsorgung und 0,3 Mrd.
€ auf die Entsorgung abgebrannter
Brennelemente entfallen.
Diese Rückstellungen sind in einer
Höhe von 3,1 Mrd. € durch zweckgebun-
dene Aktiva gesichert, die im Wesentlichen
aus Forderungen gegenüber dem Staat
oder AREVA-Wertpapieren bestehen, die
das CEA je nach Bedarf an den Staat ver-
kaufen kann.
Demzufolge ist der Staat direkt oder
indirekt der Finanzier dieser zukünftigen
Aufwendungen, deren Höhe, auch wenn
diese mit seriösen Methoden berechnet
wurde, ungewiss bleibt, wie die oft sehr
erheblichen
Korrekturen
der
Kostenschätzungen dieser zukünftigen
Aufwendungen in den letzten 10 Jahren
gezeigt haben. Er wird, wenn es soweit ist,
die
Finanzierung
der
Kosten
aus
Haushaltsmitteln ermöglichen müssen.
Mit der Baureihe der 4.
Generation
steigen
die
zukünftigen, durch staatliche
Kredite
finanzierten
Forschungsaufwendungen
erheblich
Mit dem Programm „nucléaire du
futur” (Kernkraft der Zukunft), das
Bestandteil der Investitionen in die
Zukunft ist und 650 Mio. € umfasst, wird
die detaillierte Vorplanung (APD) von
ASTRID finanziert werden. Aufgabe die-
ses Programms ist die Entwicklung schnel-
ler natriumgekühlter Reaktoren der 4.
Generation. Sollte Frankreich diesen Weg
auf der Basis der detaillierten Vorplanung
(APD) weiter beschreiten, sind andere,
wahrscheinlich zu einem großen Teil staat-
liche Finanzierungsformen in bis heute
Mit staatlichen Krediten
finanzierte Ausgaben
21
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
unbekannten Größenordnungen ins Auge
zu fassen, um zunächst den Bau von
ASTRID und danach anderer Anlagen zu
finanzieren, da der Pilotreaktor industriell
noch lange nicht ausgereift ist.
Der Staat übernimmt einen
Teil des „Haftpflichtrisikos”
eines nuklearen Störfalls
Versicherungstechnisch bewegt sich
die Kernenergiebranche auf einem ganz
besonderen Terrain: Selbst wenn der
Eintritt
des
Versicherungsfalls
sehr
unwahrsche
inlich ist, können die Folgen
bei einem größeren Störfall katastrophal
sein.
Allerdings
sind
sowohl
die
Wahrscheinlichkeit des Eintretens als auch
die Schwere der Folgen schwer einschätz-
bar und Gegenstand zahlreicher Debatten.
Es gilt jedoch als sicher, dass die
Garantieplafonds
zur
Deckung
des
Haftpflichtrisikos der Betreiber, die durch
internationale Vereinbarungen festgelegt
sind, bei einem größeren Störfall schnell
ausgeschöpft sind und wahrscheinlich
überschritten werden.
Auch könnten sich der Staat vor dem
Hintergrund
der
derzeitigen
Haftungsregelungen bei einem nuklearen
Störfall,
auch
wenn
dessen
Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, veran-
lasst sehen, über die in den derzeit gelten-
den Gesetzen festgelegten Haftungsgren-
zen
hinaus
Entschädigungsleistungen
erbringen sowie Auswirkungen auf die
Wirtschaft bewältigen zu müssen, die durch
die Entschädigungsmechanismen nicht
abgedeckt sind. Diese Leistungsannahme
ist derzeit für die Betreiber kostenlos. Der
Cour des Comptes hat nachgewiesen, dass
die
Aufwendungen
für
diese
Versicherungen sehr gering sind, wenn
man sie auf die Gesamtkosten der
Atomstromproduktion hochrechnet. Bei
einem schweren Störfal jedoch könnten
massive Kosten anfallen und die Mittel des
Staates sehr stark belasten, da dieser letzt-
endlich die Übernahme der Reparationen
für Nuklearschäden und ihrer Folgen ins-
gesamt garantiert.
Zu diesem Punkt formulierte der
Cour
des
Comptes
zwei
Empfehlungen:
Der Cour des Comptes empfiehlt,
Frankreich, größtmögliche Anstrengungen
zu
unternehmen,
damit
die
Zusatzprotokolle der Vereinbarungen von
Paris und Brüssel, die im Jahr 2004 unter-
zeichnet wurden, so schnel wie möglich in
Kraft
treten,
da
durch
sie
die
Haftungsgrenzen der Betreiber spürbar
angehoben werden, selbst wenn sie auch
dann noch begrenzt sind.
Der Cour des Comptes unterstreicht
die Notwendigkeit der konsequenten
Durchsetzung der Bestimmungen des der-
zeitigen geltenden französischen Rechts,
insbesondere
hinsichtlich
der
den
Betreibern auferlegten Finanzbürgschaften,
was die Nutzung aller der rechtlichen
Möglichkeiten voraussetzt.
23
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
Cour des Comptes
3
Offene Fragen
Neben den Unwägbarkeiten, die im
Rahmen der derzeitigen Entwicklung fest-
gestellt wurden und deren Sensibilität der
Cour des Comptes im Verhältnis zu den
Produktionskosten für Kernenergie zu
bestimmen versuchte, verdienen mehrere
Fragen besondere Beachtung, da sie signi-
fikante Auswirkungen haben könnten.
Die Höhe der Kosten darf
nicht zu einer
Vernachlässigung der
positiven und negativen
Einflussfaktoren der
verschiedenen
Energieformen führen
Mit dem derzeitigen Kenntnisstand ist
es im Allgemeinen sehr schwierig, ja sogar
unmöglich,
die
Auswirkungen
der
Atomstromproduktion vor allem auf die
Gesundheit,
die
Umwelt,
die
Zahlungsbilanz und die Wirtschaft zu
messen. Diese äußeren Faktoren sind eher
bei Vergleichen zwischen verschiedenen
Energieformen zu berücksichtigen.
Allerdings konnte der Cour des
Comptes die - geringen - Kosten der
CO
2
-Emissionen der Stromproduktion
aus Kernenergie für 2010 beziffern, die
sich auf 90 Mio. € bei durchschnittlichen
Kosten
von
15
€/teq
CO
2
(Durchschnittspreis für CO
2
im letzten
Zeitraum) und auf 190 Mio. € bei Kosten
von 32 €/tCO
2
(Bezugszahl des Quinet-
Berichts) belaufen.
Der Cour des Comptes empfiehlt, die
Arbeiten und Studien sowohl über die
Kernenergie
als
auch
die
anderen
Energieformen, die sich mit diesen
Themen befassen, zu fördern und zu
unterstützen. Selbst wenn zahlreiche
Einflussfaktoren zumindest heute noch
nicht monetarisierbar sind, können sie
dennoch für Vergleiche zwischen den ver-
schiedenen Energieformen nützlich sein.
Die Bezifferung der
Ausgaben, die zusätzlich
nach dem Unfall von
Fukushima angesetzt wur-
den, ist zu ergänzen und
weiter zu konkretisieren
Nach dem Unfall von Fukushima
hatte die ASN im Auftrag der Regierung
eine
gründliche
Neubewertung
der
Sicherheits- und Zuverlässigkeitsbedin-
gungen der Reaktoren des derzeitigen
Parks in Angriff genommen. Ihr Bericht
und ihre Stellungnahme zu „prioritären
Anlagen” wurden am 3. Januar 2012 ver-
öffentlicht. Aus diesen ist noch keine
umfassende und genaue Bezifferung aller
Folgen ableitbar, die mit diesem Ereignis
im Zusammenhang stehen, wobei es den-
noch bereits möglich ist, einige Elemente
zu präzisieren, selbst wenn man weiß, dass
die Situation von EDF, AREVA und CEA
nicht dieselbe ist.
Offene Fragen
24
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des Cour des Comptes
Die Situation von EDF
EDF
betreffen
die
meisten
Elemente. Bei den finanziellen Folgen
sind,
wenn
man
sich
auf
diese
beschränkt, zwei Hauptkostentypen
erkennbar:
- Ausgaben für Vorkehrungen zur
„Erhöhung der Robustheit der Anlagen
gegenüber Extremsituationen”. Die
finanziellen
Auswirkungen
dieser
Maßnahmen werden von EDF derzeit
mit ca. 10 Mrd. Euro veranschlagt, die in
einigen Jahren zu investieren wären und
die bereits in die Investitionsplanung
von EDF eingestellt wurden. Darüber
hinaus
sind
aber
auch
die
Personalkosten dieser Maßnahmen zu
berücksichtigen, vor allem für die
Schaffung
der
„schnellen
Einsatztruppe”, die EDF zufolge insge-
samt Kosten in der Größenordnung von
300 Mio. € jährlich verursachen dürfte,
was nicht unerheblich ist.
- Ausgaben, die durch soziale, orga-
nisatorische und menschliche Faktoren
verursacht werden. Diese Faktoren sind
derzeit noch schwieriger zu bestimmen,
wirken
sich
aber
auf
den
Personalbestand und die damit verbun-
denen Lohnkosten aus sowie die
Aufwendungen für Subunternehmen.
Die Situation von AREVA
Da die Anlagen von AREVA sehr
verschieden sind und ihre Lastenhefte,
die ursprünglich für Leistungsreaktoren
geschrieben worden waren, an ihre
jeweiligen Besonderheiten angepasst
werden
müssen,
konnten
die
Maßnahmen von AREVA noch nicht
abgeschlossen werden und bedürfen der
Fortsetzung, um die entsprechenden
Sicherheitsverbesserungen abzuschlie-
ßen. AREVA hat die Aufgabe, im
Rahmen von Querschnittsstudien bis
Mitte Mai 2012 konkrete Maßnahmen
für ein mögliches Krisenmanagement
festzulegen.
Wie bei EDF stehen die Bildung
eines harten Kerns für jede AREVA-
„Plattform”
sowie
zusätzliche
Vorkehrungen
zur
verstärkten
Absicherung der Reaktorbecken im
Mittelpunkt. Dem gegenüber scheint die
Schaffung einer schnellen Einsatztruppe
weniger sinnvoll zu sein, da AREVA
über weniger Standorte verfügt, die ver-
schiedene Aufgaben haben. Aus diesem
Grund ist eher eine Verstärkung der kri-
senspezifischen Vorkehrungen für jede
einzelne „Plattform” ins Auge zu fassen.
Die im Rahmen eines strategischen
fünfjährigen
Investitionsplans
von
AREVA vorgesehenen Mittel belaufen
sich auf 2 Mrd. €. Derzeit ist das
Unternehmen der Ansicht, dass sich die
Investitionen, die im Rahmen der ergän-
zenden Sicherheitsprüfungen zu tätigen
sind, im genannten Zeitraum auf einige
Hundert Mio. Euro zusätzlich belaufen
werden. Allerdings ist der Cour des
Comptes nicht in der Lage, diese Zahlen
zu prüfen, vor allem deswegen, weil die
Vorgaben der ASN noch sehr vage sind.
Die Situation des CEA
Die Situation des CEA ist im
Hinblick auf die Vielfalt seiner Anlagen
mit der von AREVA vergleichbar, aber
trotzdem etwas spezieller, da einerseits
die meisten CEA-Anlagen 2012 geprüft
wurden und andererseits 3 der 5
Offene Fragen
25
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
Anlagen, die im Rahmen dieser ersten
Bewertungsreihe geprüft worden waren,
geschlossen wurden und sich im
Rückbau
befinden
(Phénix,
die
Plutoniumanlage und Osiris). Hier
wären
die
Investitionen
zur
Risikominimierung während und mit
zunehmendem
Fortschrittstand
der
Rückbaumaßnahmen für jeden einzel-
nen Fall zu konkretisieren.
Das CEA geht derzeit von relativ
breit gefächerten möglichen zusätzli-
chen
Stresstest-Kosten
in
einer
Größenordnung von 50 bis 500 Mio. €
aus, die innerhalb von 3 bis 4 Jahren zu
realisieren wären.
Allgemein ist es also für eine für
eine Festlegung und Überprüfung der
Investitionssummen
und
Personalkosten im Ergebnis dieser
ersten zusätzlichen Sicherheitsbewer-
tungen zu früh. Darüber hinaus kann,
wie die ASN in ihrem Bericht ausführt,
der „Erfahrungsrücklauf aus dem
Störfall von Fukushima ein Jahrzehnt in
Anspruch nehmen. Die unverzügliche
Bewertung der Robustheit der Anlagen
gegenüber Extremsituationen war not-
wendig”, allerdings konnte dies nur der
erste Schritt eines längeren Analyse- und
Überlegungsprozesses sein.
Die Vielzahl der Ausnahmen
gegenüber dem Gesetz von
2006 und die Folgen der
Finanzkrise auf das
Management der zweckge-
bundenen Aktiva dürfte zu
einer erneuten Überprüfung
der Bedingungen führen,
unter denen dieser
Mechanismus umgesetzt wird
Von einer Rückstellungssumme von
insgesamt 27,8 Mrd. € für Maßnahmen
am Ende des Kreislaufs, die durch zweck-
gebundene Aktiva abgedeckt sein müssen,
waren
per
31.
Dezember
2010
18,2
Mrd.
€
durch
börsennotierte
Wertpapiere gedeckt. 2,7 Mrd. € waren zu
diesem Zeitpunkt nicht gedeckt, und
6,9 Mrd. € bestanden aus Überkreuzdek-
kungen zwischen Kernkraftwerksbetrei-
bern, den Staat eingeschlossen. Insgesamt
ist davon auszugehen, dass 4,6 Mrd. €
direkt oder indirekt auf den Staat entfal-
len,
wobei
die
RTE-Wertpapiere
(2,3 Mrd. €), die in den zweckgebundenen
Aktiva von EDF eingestellt sind, nicht
mitgezählt wurden.
Die Umsetzung der Gesetze von 2006
in ihrer Erstfassung (Gesetz über die
Transparenz und die Sicherheit auf dem
Gebiet der Kerntechnik) wurde durch
mehrere Beschlüsse signifikant beein-
flusst: Das Datum der vollständigen
Besicherung der Rückstellungen durch
zweckgebundene Aktiva wurde von Juni
2011 auf Juni 2016 verschoben, die
Liquidität dieser Aktiva wurde durch
Genehmigung von Wertpapieren von
Töchtern der Betreiber sowie durch Über-
Offene Fragen
26
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des Cour des Comptes
kreuzforderungen
zwischen
den
Betreibern
beeinträchtigt;
schließlich
wurde sogar das Prinzip der zweckgebun-
denen Aktiva für das CEA aufgegeben.
Parallel wurden die Unsicherheiten
bezüglich der mittel- und langfristigen
Rentabilität der Aktiva, die die Portfolios
bilden, durch die Finanzkrise verstärkt,
was ihre Fähigkeit, den Finanzbedarf
zukünftiger Aufwendungen zum richtigen
Zeitpunkt decken zu können, beeinflusst.
Diese Maßnahmen wurden entwik-
kelt, noch bevor der Ausschuss, der die
Governance dieser Maßnahmen hätte
strukturieren sollen, eingerichtet war, was
sehr bedauerlich ist. Jetzt, nachdem der
CNEF
(3
)
der seine Arbeit aufgenommen
hat, kann er zum aktuellen Sachstand der
Maßnahme und eventuell ihre Anpassung
an die derzeitige Finanzlage Stellung
beziehen.
Der Cour des Comptes emp-
fiehlt
, diesen Punkt erneut zu prüfen, da
es nicht in Ordnung ist, die Struktur und
die Ausgangslogik immer dann durch
grundlegende Ausnahmeregelungen zu
ändern, wenn eine neue Schwierigkeit
auftritt.
Die Laufzeit der Kraftwerke
ist eine strategische
Variable, die Gegenstand
ausdrücklich
richtungsweisender
Entscheidungen sein sollte
Die Laufzeit jedes Kraftwerks wird alle
zehn Jahre von der Autorité de sureté
nationale (ASN, Behörde für nukleare
Sicherheit) überprüft, die die Bedingungen
für eine eventuelle Betriebsverlängerung
bestimmt. Derzeit haben nur zwei
Reaktoren der Kraftwerke Triscastin und
Fessenheim
vorbehaltlich
der
Durchführung signifikanter Maßnahmen
zur Verbesserung ihrer Sicherheit eine
Betriebsgenehmigung
für
40
Jahre
erhalten.
Buchmäßig
werden
die
EDF-
Kraftwerke seit 2003 über 40 Jahre abge-
schrieben. Nun hat die Laufzeit der
Kraftwerke signifikante Auswirkungen auf
die tatsächlichen Produktionskosten, da
sich dadurch die Investitionen über einen
längeren Zeitraum amortisieren. Daneben
werden die Aufwendungen für den
Rückbau und der Investitionsbedarf für
neue Produktionsanlagen in die Zukunft
verschoben.
Der Cour des Comptes hat festgestellt,
dass in ca. 10 Jahren (Ende 2020) 22 der 58
Reaktoren im 40. Jahr in Betrieb sind.
Folglich müssten in der Annahme einer
Lebensdauer von 40 Jahren und der
Aufrechterhaltung der Stromproduktion
aus Kernenergie auf dem aktuellen Niveau
bis Ende 2022 11 neue EPR gebaut wer-
den,
was
auch
aus
industriellen
Erwägungen wenig wahrscheinlich, wenn
nicht sogar unmöglich ist.
Das bedeutet, dass entweder von einer
Laufzeit von über 40 Jahren auszugehen
ist,
wie
aus
der
„Mehrjährigen
Investitionsplanung”
(PPI)
für
die
Stromproduktion für den Zeitraum 2009-
2012 ableitbar ist, die einer „allgemeinen
Laufzeitverlängerung für den Kernkraft-
___________
(3) Nationaler Ausschuss zur Abschätzung des Finanzbedarfs für den
Rückbau nuklearer
Basisanlagen und die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle
Offene Fragen
27
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des
Cour des Comptes
werkspark über 40 Jahre hinaus” den
Vorzug gibt, oder aber von einem weiteren
Ausbau des Energiemixes zugunsten ande-
rer Energiequelen, wobei im Hinblick auf
diese strategischen Ausrichtungen noch
keine ausdrückliche Entscheidung gefallen
ist, die der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde,
obwohl in diesem Zusammenhang kurzfri-
stige
Aktionen
und
erhebliche
Investitionen notwendig wären.
Kurz- und mittelfristig
ist
von erheblichen
Investitionen auszugehen,
die signifikante
Auswirkungen auf die allge-
meinen Produktionskosten
haben werden
Vor diesem Hintergrund machen
die Verlängerung der Betriebsgenehmi-
gung
bis
zu
40
Jahren,
die
Berücksichtigung der Ergebnisse der
Stresstests nach Fukushima (Bericht der
ASN) und die Aufrechterhaltung der
Verfügbarkeit der Kraftwerke auf einem
akzeptablen Niveau (zwischen 80 und
85 %) eine Verkürzung des derzeitigen
Investitionsinstandhaltungsrhythmus
auf die Hälfte erforderlich, was einer
Erhöhung
der
Miet-
und
Wiederbeschaffungskosten (CCE) von
ca. +10 % entspricht.
Würden die derzeitigen Kraftwerke
durch EPR ersetzt werden, deren
Baukosten (mindestens 5 Mrd. € für
einen „serienmäßigen” EPR) deutlich
über denen der derzeitigen Kraftwerke
liegen, wären, unter der Annahme einer
Laufzeit der vorhandenen Kraftwerke
von 50 Jahren, in den nächsten 20
Jahren Investitionen von 55 Mrd. €
(11 EPR) notwendig.
Unabhängig von den Antworten, die
auf diese Fragen in der Zukunft gege-
ben werden, ist der Cour des Comptes
der Meinung, dass sowohl auf den
Gebieten der Instandhaltung als auch
des
Baus
von
Ersatz-
Produktionsmitteln kurz- und mittelfri-
stig mit erheblichem Investitionsbedarf
gerechnet
werden
muss.
Diese
Investitionen verstehen sich zusätzlich
zu
den
Aufwendungen
in
die
Stromnetze oder die Forschung, sofern
entschieden
werden
sollte,
das
Programm
zur
Entwicklung
von
Reaktoren der 4. Generation fortzuset-
zen, was zu Investitionen führen würde,
die erheblich höher sind als die, die der-
zeit auf diesem Gebiet stattfinden,
wobei es derzeit nicht möglich ist, diese
zu beziffern.
Die strategischen und finanziellen
Folgen dieser Situation sind so zu analy-
sieren, dass daraus Richtlinien für die
mittelfristige Energiepolitik ableitbar
sind, die öffentlich bekanntgegeben
werden können und für alle Akteure die-
ser
Branche
Richtschnur
sind.
Berücksichtigt man die Fristen, die in
der
Energiepolitik
zwischen
der
Findung einer Entscheidung und ihren
Auswirkungen liegen und die für die
Kernenergie besonders lang sind, die es
aber auch für alle anderen Energiearten,
Energieeinsparungen inkl., gibt, bedeu-
tet
keine
Entscheidung
eine
Entscheidung für eine Laufzeitverlän-
gerung des derzeitigen Parks über 40
Jahre hinaus.
Offene Fragen
28
Zusammenfassung
des Öffentlichen thematischen Berichts des Cour des Comptes
Transparente Zahlen und
regelmäßige
Aktualisierung der Daten
dieses Berichts - eine
Notwendigkeit
Aus der Komplexität des Themas,
der Unsicherheit der Datenlage und den
vielen Hypothesen, auf denen die
Zahlen
dieses
Berichts
basieren,
erwächst die Notwendigkeit der regel-
mäßigen Überprüfung und Vertiefung
dieser
Arbeit
im
Rahmen
einer
Governance, die der strategischen
Dimension der Energiefrage und der
hohen Sensibilität der Bürger gegenüber
diesem Thema entspricht.
Vor diesem Hintergrund emp-
fiehlt der Cour des Comptes, diese
Studie transparent und objektiv
regelmäßig zu aktualisieren, um:
schrittweise
die
Bewertungs-
methoden für Situationen, die unsicher
sind, zu verbessern, deren Verständnis
aber notwendig ist, um die zu treffenden
Entscheidungen ökonomisch bewerten
zu können, wobei die Untersuchungen
zu den Kosten und der Störfallwahrs-
cheinlichkeit in besonderem Maße ver-
tieft werden sollten,
die zukünftigen Entwicklungen
der
verschiedenen
analysierten
Kostenposten,
insbesondere
der
Kosten, die sich aus den Stresstests nach
dem Störfall von Fukushima ergeben, in
Abhängigkeit der Erfahrungsrückläufe
zu begleiten,
die Anstrengungen der verschie-
denen Akteure und Spezialisten auf die-
sem Gebiet nutzbringend umzusetzen.
Im Übrigen zeigt die Wichtigkeit der
nicht
bezifferbaren
äußeren
Einflussfaktoren, außer eventuell im
Vergleich mit anderen Lösungen, zu
denen vor allem die Auswirkungen auf
Umwelt, Gesundheit, Beschäftigung
und Handelsbilanz gehören, dass die
Kosten bestimmt nicht die einzigen
Variablen sind, die bei Entscheidungen
über das Schicksal der Atomstrompro-
duktion zu berücksichtigen sind.